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Der General und das Mädchen

Der General und das Mädchen

Titel: Der General und das Mädchen
Autoren: Jacques Berndorf
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dunkelhaarige Frau, die selbst so frischgelackt aussah, als sei sie einem Werbeprospekt der BRIGITTE entsprungen. »Meine Frau Marlies«, sagte er.
      Wir gaben ihr die Hand, lächelten sie an, setzten uns, bekamen Eistee eingeschenkt.
      »Was führt Sie nun genau zu mir?« fragte er.
      »Sie sind ein mächtiger Mann«, sagte ich. »Wie fühlt sich ein mächtiger Mann, dessen schärfster politischer Gegner soeben ermordet wurde? Erleichtert?«
      »Also ist es kein Gerücht? Also ist er wirklich ermordet worden?«
      »Zweifelsfrei«, sagte ich. »Wie fühlen Sie sich?«
      Beim Nachdenken machte er schmale Augen. »Nicht sehr gut natürlich. Ravenstein war politisch ganz eindeutig ein Narr. Aber er war sympathisch und auf eine gewisse Weise auch klug. Ich wollte mit ihm öffentlich diskutieren, in Bonn. Kennt man den Mörder?«
      »Nein.«
      »Mögen Sie noch Tee?« fragte Marlies Tutting.
      »O ja, bitte.« Germaine wandte sich an Tutting. »Fehlt Ihnen etwas, seit Otmar Ravenstein tot ist?«
      Er sah sie verblüfft an, wurde nachdenklich und sagte schließlich: »Ja, mir fehlt etwas. Marlies, holst du bitte noch Gebäck?« Das kam sehr scharf.
      Seine Frau lächelte vollendet und ging irgendwohin.
      »Wir hatten einen langen Tag«, sagte er in einem Ton, als habe sie sich danebenbenommen, als seien fehlende Kekse eine Todsünde.
      »Wieso war der General ein Narr?«
      Die Antwort kam schnell. »Weil er bei allen Überlegungen voraussetzte,- daß Gorbatschow erstens erfolgreich ist und zweitens ein unbedingt ehrlicher Mann. Naivität, mein Lieber, kann auf diesem Sektor für unser Volk unbedingt tödlich sein. Und wissen Sie, ob der Nachfolger Gorbatschows friedlich sein wird? Und wird Gorbatschow es überhaupt durchstehen?« Er sprach ein wenig lauter und breitete dann die Arme aus wie ein Prediger. »Schauen Sie sich Vietnam an. Weshalb haben unsere amerikanischen Freunde den Krieg dort verloren? Doch nicht, weil die Nordvietnamesen besser waren, sondern weil sie die gesamte Logistik von den Kommunisten geschenkt bekamen.«
      »Das kann doch nicht Ihr Ernst sein«, erwiderte ich wütend. »So eine Geschichtsverzerrung habe ich noch nie gehört. Die Amis haben wie ein Sack Seife angegeben, daß sie in Vietnam die Freiheit der ganzen westlichen Welt verteidigen, und sie haben einfach deshalb die Hucke vollgekriegt, weil sie an die eigenen Sprüche auch noch geglaubt haben. Bitte, Tutting, hier sind wir in Deutschland und nicht in Vietnam. Sie haben mit Ihrer kleinen erlesenen Firma diesen Landstrich hier zur größten Selbstzerstörungsanlage der Welt ausgebaut. Wie fühlt man sich denn, wenn die eigene Bevölkerung sagt: Weg damit?«
      Er war irritiert, gereizt. Sein Gesicht wurde richtig hart. »Das Volk ist dumm!« stellte er fest. »Das Volk wird meine Vorsicht nie begreifen.«
      »Das Volk«, murmelte Germaine, »kennt Sie gar nicht, Herr Tutting.«
      »Aber sie werden dankbar sein, wenn ich sie rette«, sagte er lächelnd.
      »Soweit sie diese >Rettung< überleben. Sagen Sie, wer hat eigentlich diese Art Selbstzerstörungsanlagen erfunden?« fragte ich.
      Er zuckte zusammen, aber noch war er nicht soweit, noch wurde er nicht unvorsichtig, fiel nicht aus der Rolle. »Ich habe mir solche Anlagen auf der ganzen Welt angesehen. Dann habe ich sie verbessert und hier durchgeführt. Natürlich immer in enger Zusammenarbeit mit den Herren der NATO und denen vom Bundesverteidigungsministerium.«
      »Die Amis sind Ihre Freunde, nicht wahr?«
      Er hatte sich wieder ganz in der Gewalt, grinste jungenhaft. »Das hat Ihnen die Trude erzählt. Ja, das stimmt. Sie kommen tatsächlich als Freunde. Sie kommen auch, weil sie von mir seit Jahren lernen. Jetzt machen sie es überall, wo es nötig ist, so wie ich es konstruiert habe.«
      Germaine beugte sich vor. »Ist es richtig, daß Sie diese Aufträge finanziell gar nicht nötig haben?«
      Er war wieder ganz entspannt. »Richtig. Finanziell ist das kaum mehr als ein Zubrot, ganz uninteressant. Bei Fragen, die das Schicksal unseres Volkes bestimmen, spielt Geld keine Rolle. Anfangs habe ich sogar zugebuttert und kräftig rote Zahlen geschrieben. Heute fragen mich die Freunde, wenn sie Rat brauchen.«
      »Die Amerikaner?«
      »Ja, natürlich. Die Leute im Pentagon haben noch das nötige Mißtrauen. Die lassen sich nicht einsalben, die wissen genau, was gebacken ist, wenn die Russen richtig
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