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Der erfolgreiche Abstieg Europas

Der erfolgreiche Abstieg Europas

Titel: Der erfolgreiche Abstieg Europas
Autoren: Eberhard Sandschneider
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schreibt Ines Zöttl in der Financial Times Deutschland 94 . Fürs erste ist diese Politik noch einmal »gut« gegangen: Christine Lagarde hat es geschafft, aber sie wird wohl auf längere Sicht die letzte Europäerin sein, die die Spitzenposition im IWF besetzt. Bei der nächsten Personalentscheidung werden die immer selbstbewussteren Schwellenländer besser vorbereitet sein, mit einem überzeugenden Kandidaten und sorgsam organisierten Mehrheiten. Aber genau besehen wäre das kein machtpolitischer Genickbruch für Europa. Das sind nun einmal die neuen Realitäten multipolarer Machtpolitik, mit denen wir uns besser abfinden, ja noch besser sie sogar für Kooperationsgewinne nutzen, anstatt aus Gewohnheit und Mangel an politischer Phantasie an Privilegien festzuhalten, die es längst nicht mehr gibt.
    Nur noch einmal zur Erinnerung: Auf die Perspektive kommt es an! Und deshalb ziehe ich eine einfache Schlussfolgerung: Um wirklich Optimist sein zu können, muss man zuerst Realist sein. Auf der Grundlage einseitiger oder überzogener Erwartungen gedeihen sehr leicht scheinbar optimistische Perspektiven, die sich in der Regel als Trugschlüsse erweisen.
    Abgesänge auf Europa, Selbstkritik bis an die Grenze der Selbstzerfleischung haben wir genug gehört. Eine realistische Perspektive eröffnet die Möglichkeit zu einem optimistischenAusblick. Europa ist besser als sein Ruf. Das ist keine Garantie für Erfolg in der Zukunft, aber Voraussetzung, um den unvermeidlichen Abstieg erfolgreich zu managen und am Ende das zu gewinnen, worum es eigentlich geht: Sicherheit, Wohlstand und Stabilität für die Menschen in Europa.
    Pragmatismus, der Wille, immer wieder einmal bewusst die Perspektive zu wechseln, und vor allem die Bereitschaft, ohnehin nicht vermeidbare Entwicklungen möglichst aktiv zu gestalten, anstatt sie aufhalten oder nur schönreden zu wollen, sind die Voraussetzungen für Europas erfolgreichen Abstieg.
    Platz machen bedeutet im Klartext auch relativen Wohlstandsverlust. Ohne diesen Verzicht wird es nicht gehen. Am Ende dürfte es sich um eine Abwägungsentscheidung handeln. Wenn uns diese Bereitschaft fehlt, werden die Verdrängungsmechanismen der anderen immer stärker werden. Aus vielfältigen historischen Erfahrungen wissen wir allerdings, dass in solchen Situationen Konflikte, gelegentlich Krisen und nicht selten auch Kriege entstanden sind. »Weltkriege um Wohlstand«, wie Gabor Steingart in seinem Buch prognostizierte, wird es nur dann geben, wenn den Satten die Bereitschaft fehlt, mit den Hungrigen mehr als nur Almosen zu teilen. Diese Bereitschaft, Platz zu machen für die anderen, ist die nächste große Aufgabe des Westens und insbesondere Europas, nachdem die großen Herausforderungen der Vergangenheit – Wohlstandsmehrung und Friedenssicherung – in den vergangenen 60 Jahren beeindruckend gemeistert wurden.
Modelle und Vorbilder
    Alle Herausforderungen und Notwendigkeiten, die wir so weit skizziert haben, verlangen eine Menge von allen Beteiligten. In solchen Situationen liegt es immer nahe, nach Vorbildern und Modellen zu suchen, von denen man in schwierigen Entscheidungssituationen etwas lernen kann. Gibt es also Modelle, Vorbilder, Erfahrungen, die solche Prozesse desrelativen Abstiegs im internationalen Einfluss veranschaulichen und vielleicht auch besser verstehen und verkraften helfen könnten? Könnten solche Modelle vielleicht sogar als Vorbilder für eine erfolgreiche Gestaltung unvermeidlicher Abstiege dienen? Solche Modelle gibt es in der Tat. Schon bei oberflächlicher Betrachtung fallen einem sofort zwei Beispiele ein.
    Das erste Modell, das sich nur in Teilen zur Nachahmung empfiehlt, ist Großbritannien, ein Land, das zu den Weltmächten der Vergangenheit gehörte, das ein Empire besaß und jetzt über fast 100 Jahre einen kontinuierlichen Abstieg in seiner internationalen Bedeutung erlebt hat. Zuerst wirtschaftlich, dann militärisch und letztlich politisch. Was geblieben ist von dem britischen Ruhm der Vergangenheit, wird heute wehmütig besungen (»Britannia rules the waves«). Aber letztlich sind dies nur Erinnerungen. Mit den Realitäten heutiger internationaler Politik hat das alles nichts mehr zu tun. Zwar tun britische – wie auch französische – Politiker immer noch so, als seien die machtpolitischen Verschiebungen zu ihren Lasten bedeutungslos. Ein ständiger Sitz im Sicherheitsrat der Vereinten Nationen gibt dafür immer wieder Bestätigung. Aber die Tatsache, dass
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