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Club der gebrochenen Herzen

Club der gebrochenen Herzen

Titel: Club der gebrochenen Herzen
Autoren: Deborah Moggach
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ERSTES KAPITEL
    Buffy
    Alles kam wieder zurück. Buffy legte den Brief auf den Tisch und setzte sich schwerfällig. Bridies Lachen; ihr heiserer Raucherhusten. Sie könnte jetzt in ihrem fleckigen kimonoartigen Morgenrock um ihn herumwuseln. Er erinnerte sich an ihre geäderten Fesseln in den Pantoffeln; an die fröhliche Körperfülle, wie sie da stand und Speck brutzelte. Die Vergangenheit stieg ihm in die Nase; er konnte das Linoleum und die Katzen riechen, die benebelnden Düfte des Ascot-Badeöls über der Badewanne. Es war die Zeit der Eiderdaunendecken, des bullernden Gasofens und ihrer auf dem Kamingitter trocknenden Strümpfe.
    Bridie führte eine Pension für Schauspieler in Edgbaston. Buffy hatte dort gewohnt, jahrein, jahraus, und war während eines Engagements am Birminghamer Repertoiretheater von einem geschmeidigen Heißsporn zu einem beleibten Falstaff mutiert. Bridie allerdings konnte das Alter nichts anhaben. Wie die meisten Dicken blieb sie dieselbe, Jahr für Jahr. Der Ansatz ihres hennagefärbten Haars war grau, sie hatte zwei neue Kniegelenke, aber sie glich weiterhin dem Mädchen, das er gekannt hatte, als er in Strumpfhose noch fesch aussah.
    Einmal, er war betrunken, hatte er ihr einen Heiratsantrag gemacht.
    »Liebling, nicht nur, dass du schon verheiratet bist, ich habe hier meine eigene Familie, schönsten Dank.« Sie schenkte ihm noch einen Whisky ein. »Pensionsgäste machen viel weniger Mühe als Kinder, selbst wenn es Schauspieler sind. Und außerdem bezahlen sie mich.«
    »Spricht aber doch einiges dafür. Der himmlische Frieden eines Ehebetts, tralala, nach all dem Tumult der Chaiselongue.«
    »Himmlischer Frieden, so ein Quatsch. Wir würden uns über die Regenrinne in die Haare kriegen.«
    »Wo du es gerade erwähnst: Du solltest dich tatsächlich darum –«
    »Halt die Klappe, du Blödian.«
    Sie hatte natürlich Recht. Sie waren glücklich, so wie es war. Wer wusste schon, was sie anstellte, wenn er nicht da war? Er erinnerte sich an das Kästchen aus Krokodilleder, in dem sie ihr Diaphragma aufbewahrte, das Geschenk eines Gentleman-Verehrers. Sie war eine heißblütige Frau und von Natur aus entgegenkommend, und Schauspieler auf Tournee waren ziemlich gut im Flachlegen. Was gab es auch anderes zu tun, wenn man den ausgestopften Dachs im Heimatmuseum gesehen hatte?
    Und jetzt war Bridie tot. Buffy war nach Weinen zumute. Er war Schauspieler, er konnte es auf ein Stichwort hin abrufen. Und bei Gott!, er hatte reichlich weinen müssen. Aber Schmerz ist am heftigsten, wenn widersprüchliche Gefühle ihn trüben – Missfallen, Schuld, Groll. Bridie war eine der wenigen Frauen, denen gegenüber er keinerlei Schuld fühlte. Um ehrlich zu sein, seit sie nach Wales gezogen war, hatten sie den Kontakt verloren. Dass er in all den Jahren in ihren Gedanken geblieben war – daher wohl der Brief von einem Rechtsanwalt in Builth Wells, sie musste ihm eine Kleinigkeit in ihrem Testament vermacht haben –, dass er in Bridies Gedanken geblieben war, weckte zum ersten und letzten Mal Schuldgefühle in ihm. Auch Dankbarkeit. Wegen seines fortgeschrittenen Alters hatte er viele Freunde verloren, und seine Exfrau. Dass sie alle so sang- und klanglos abgetreten waren, hatte ihm klargemacht – wenn esnoch eines Beweises bedurft hätte –, dass Sterben eine reine Ich-Angelegenheit war. Das Letzte, woran man dachte, waren scheinbar die Zurückbleibenden. Ein kleines Gedenken, egal, was, wäre willkommen. Sogar etwas so Scheußliches wie ein Toby-Krug.
    Buffy hievte sich hoch und tappte in die Küche. Er hatte dummerweise das Fenster offen gelassen, und die Luft war voller Gipsstaub. Vor zwei Jahren hatte ein russischer Oligarch das Haus nebenan gekauft. Seitdem war es von Plastikbahnen umhüllt; dahinter bebte und rumpelte das Gebäude, während sein Inneres entkernt wurde, um ein Fitnessstudio einzubauen samt Swimmingpool und Kino, in dem der Magnat sich in Ruhe seine Pornos anschauen konnte.
    Überall das Gleiche in der Nachbarschaft. Buffy wohnte in Blomfield Mansions, einem Wohnblock in der Edgware Road. Dahinter lag Little Venice; in die andere Richtung St John's Wood. Beide Bezirke beherbergten die Superreichen und Dauerabwesenden. Die überließen es ihren Nachbarn, all die Renovierungsarbeiten ihrer erworbenen Immobilien zu ertragen, während sie selbst auf ihren Yachten schaukelten oder Löcher in die Arktis bohrten oder sonst was trieben. Buffy führte seinen Hund durch ein Gewirr
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