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Club der gebrochenen Herzen

Club der gebrochenen Herzen

Titel: Club der gebrochenen Herzen
Autoren: Deborah Moggach
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osteuropäischer Stimmen Gassi, vorbei an Gehämmer und Gedröhne und in zweiter Reihe geparkten Betonmischern, vorbei an Schildern mit dem Warnhinweis Schutzhelme tragen! Die alte Nachbarschaft war verschwunden, und selbst seine hiesige Stammkneipe, noch ziemlich unversehrt, bot nun irgendwelche Thai-Kost an, zusammengestellt in einem Industriegebiet des Park Royal und im Beutel aufgewärmt. Das Schottische Ei war endgültig ausgestorben. War auch höchste Zeit, würden manche sagen.
    Buffy riss eine Packung Kekse auf. Seine Tochter Nyange kam zum Tee. Bestimmt zu spät. Sie hatte das von ihrer Mutter geerbt, einer ghanaischen Tänzerin, mit der Buffy eine kurze Affäre hatte, als er sich noch in Hosengröße 32 zwängen konnte. Immer wenn er es schon nicht mehr zu hoffen wagte, kam Nyange herangeschlendert und begründete ihr Verspäten mit MAZ , Mittelafrikanische Zeit. War ja wohl sein Problem, gab sie ihm mit ihrem kecken Ton dann zu verstehen, Pünktlichkeit sei ein ungutes Überbleibsel von kolonialer Unterdrückung und Ausplünderung. Dass es seine Stunde war, die sie gestohlen hatte, brachte Buffy nicht über die Lippen.
    Nyange kam tatsächlich eine Stunde zu spät, doch diesmal hatte sie eine Entschuldigung.
    »Ich finde keinen verfluchten Parkplatz!«, rauschte ihre Stimme durch die Sprechanlage. Dann hörte er, wie sie einen Mitarbeiter vom Ordnungsamt anbrüllte: »Hau ab! Ich komme ja schon!«
    Zuguterletzt musste Buffy sich geschlagen geben und den Tee seiner Tochter ans Auto bringen. Da saßen sie, das Tablett auf seinem Knie, den Teller mit den Keksen auf dem Armaturenbrett. Es war nicht das erste Mal, dass er seinen Besuch draußen in einem eiskalten Honda Civic bewirten musste.
    »Das Ganze tut mir leid«, sagte er. »Ich habe zu deinen Ehren sogar aufgeräumt und den Tisch gedeckt. Verfluchte Aasgeier, die vom Ordnungsamt.«
    »London ist zum Kotzen«, sagte Nyange. »Letzte Woche wurde in meinem Wein- und Spirituosenladen ein Kind erschossen.«
    Sie parkten auf einer gelben Doppellinie, eingequetscht zwischen einem Laster und einem riesigen Allrad-Geländewagenmit getönten Scheiben. Eines der Fenster schob sich auf, und eine Hand warf eine leere Badoit-Wasserflasche hinaus.
    Buffy seufzte. »Da waren mal richtige Geschäfte. Metzger. Gemüsehändler.« Er zeigte zu einem Snappy-Snaps-Photostudio und einem Foxton Immobilienbüro (ha, erfreulich leer). »Ja, die gute Zeit. Nimm noch einen Hobnob.«
    Das Ordnungsamt tauchte auf. Nyange fluchte. Sie legte einen Blitzstart hin – der Tee ergoss sich über seine Hosen – und fuhr um den Block, vorbei an Bauschuttmulden und in zweiter Reihe geparkten Lastwagen.
    »Und doch«, sagte Buffy, » wenn man Londons überdrüssig ist, ist man des Lebens über  –« Er hielt inne. Dr. Johnson war ihr wohl kein Begriff. Außerdem war er sich nicht mehr ganz sicher, ob es überhaupt stimmte. Warum sollte man Londons nicht überdrüssig sein? Alles hier hatte sich verschworen, ihm auf die Nerven zu gehen. Er hatte eine Vision, wie er in einem Bauerngarten saß, ein grauhaariger Patriarch mit Panamahut, und seine Enkelkinder ihm Kaulquappen in Marmeladengläsern brachten.
    Nyange stoppte mit einem Rums an einer Bushaltestelle, der einzig verfügbaren Parklücke. Die Kekse rutschten vom Armaturenbrett.
    »Einfach lächerlich!«, blaffte sie. Nyange war eine temperamentvolle junge Frau – nur, so jung auch nicht, mittleren Alters fast. Er hatte Kinder mittleren Alters. Dieser Gedanke schockierte ihn immer wieder aufs Neue. Heute sah sie überraschend sachlich aus. Bei ihrem letzten Treffen hatte sie das Haar noch zu unzähligen Zöpfen geflochten, in die winzige Perlen und Kügelchen eingearbeitet waren. Heute war es zu einem Bubikopf à la Louise Brooks geschnitten und glänzte lackartig. Vielleicht eine Perücke. Er widerstand dem Drang, ihr Haar zu berühren wie so ein ältlicher Perversling.
    Andererseits war er ihr Vater. Das Dumme war nur, dass der Kontakt in der Vergangenheit etwas unregelmäßig gewesen war. Er erinnerte sich an ein gedämpftes Weihnachten mit Nyange und ihrer Mutter, zwei schicken Fast-Fremden, in einem mit Tüchern dekorierten Raum in Deptford. Sie hatten ihm widerwillig ein Fasanenschenkelchen gebraten – beide waren Vegetarierinnen –, und er hatte sich auf einer Schrotkugel einen Zahn abgebrochen.
    »Und wie geht es dir so?«, fragte sie. »Eine Ewigkeit her, dass ich in der Gegend war.«
    »Um ehrlich zu sein, eine gute
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