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Der erfolgreiche Abstieg Europas

Der erfolgreiche Abstieg Europas

Titel: Der erfolgreiche Abstieg Europas
Autoren: Eberhard Sandschneider
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Bevormundung gänzlich verzichtet. Hier kann Europa getrost auf die eigenen historischen Leistungen verweisen. Die Lehre der Montanunion könnte weiterhelfen, um die Prinzipien der Zusammenarbeit im Kontrast zu Abschottungs-, Konfrontations- und Eindämmungsstrategien deutlich zu machen. Dieses setzt allerdings voraus, dass alle Beteiligten – und hier ist der Westen in besonderer Weise angesprochen und herausgefordert – darauf verzichten, aggressive Wertedominanz zu propagieren und auf offenen Wertewettbewerb zu setzen.
    Zum Zweiten wäre Europa gut beraten, damit aufzuhören, sich seine sogenannten strategischen Partnerschaften schöner zu reden, als sie in Wirklichkeit sind, und stattdessen auf pragmatische Koalitionen (auch mit Nichtdemokratien) zu setzen. Das erfordert die Bereitschaft, die verschobenen globalen Machtgleichgewichte anzuerkennen und auf das Festhalten an der Weltordnung der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts zu verzichten.
    Die Parameter eines erfolgreichen Abstiegs, der trotz möglicher Verluste die Erhaltung von Wohlstand und Frieden sichert, lassen sich einfach beschreiben: Sie werden gebildet durch das Zusammenwirken aus eigener Leistungsfähigkeit ohne Angst vor der Konkurrenz durch andere, vom Willen zur Kooperation nicht nur mit Demokratien, sondern auch mit Autokratien, von der Flexibilität bei der Suche nach Problemlösungen ohne die belehrende Überhöhung der eigenen Werte und Erfahrungen und schließlich durch den Verzicht auf machtpolitische Beharrung gegenüber den aufsteigenden Mächten.
    Eine Politik, die von diesen Parametern bestimmt wird, wird allerdings nur dann dauerhaft erfolgreich sein können, wenn sie im konkreten Fall immer anerkennt, dass globale Problemlösungen durch die steigende Zahl von einflussreichen Staaten, die ihren Platz am Tisch der internationalen Führungsmächte einfordern, nicht einfacher, sondern komplizierter werden.
    Fragen wir abschließend, was all diese Überlegungen für die deutsche Außenpolitik bedeuten. Deutschland ist unbestritten kraft seiner zentralen Lage, seiner wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit und seiner Geschichte in besonderer Weise positioniert, um bei der künftigen Gestaltung der europäischen Ordnung nicht nur ein gewichtiges Wort mitzureden, sondern auch Prozesse anzustoßen und voranzutreiben. Aber auch für Deutschland gilt völlig legitim, dass kein Staat internationale Zugeständnisse macht, ohne entsprechende Gegenleistungen erwarten zu können. Wer akzeptiert, dass die Grundstrukturen der Weltordnung sich weiter verschieben und Aufsteigerstaaten immer mehr Einfluss zuwächst, sollte im Sinne einer grundsätzlichen strategischen Debatte auch bereit sein, zumindest über einige der heute gültigen Grundlagen deutscher Außenpolitik kritisch nachzudenken. An den folgenden vier Beispielen wird deutlich, wie tief greifend diese Veränderungen sein könnten beziehungsweise vielleicht auch sein müssen.
    Es ist nicht nur eine Frage des Zuschnitts von Bundesministerien, sondern eine Grundsatzfrage, ob eine ehrlichere Außenpolitik nicht auf Entwicklungshilfe – auch wenn siegerne als Entwicklungszusammenarbeit schöngeredet wird – verzichten sollte und sie stattdessen durch eine konsequente Interessenpolitik ersetzt. Trotz aller anderslautenden Bekundungen ist es eine schlichte Tatsache, dass wir in unterschiedlichen Weltregionen und Krisengebieten unterschiedliche Interessen haben. Diesen auch in Fragen der wirtschaftlichen Zusammenarbeit transparent zu folgen, ist sowohl innen- wie außenpolitisch leichter zu vermitteln, als immer wieder angestrengt von kritischen Entwicklungen wegschauen zu müssen, bis mediale Einflüsse dies nicht mehr möglich machen. Dann entstehen Hilfssituationen, die einerseits halbherzig, in der Regel nicht ausreichend und wegen ihrer zeitlichen Begrenzung auch ohne nachhaltigen Erfolg bleiben. Das Beispiel der Katastrophenhilfe nach dem schweren Erdbeben in Haiti ragt nur als eines von vielen besonders hervor.
    Bundeswehreinsätze werden in Zeiten wachsender Sicherheitsrisiken, aber auch wegen zunehmender globaler Interessen integraler Bestandteil deutscher Außenpolitik bleiben müssen. Das setzt entsprechende Ausbildung und Ausrüstung voraus. Vor allem aber verlangt es von politisch Verantwortlichen weniger Spiegelgefechte um Worthülsen, sondern eine offene und transparente Sprache, die konzeptionell erläutert statt verschleiert und auf diese Weise zur notwendigen Legitimität von
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