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Der erfolgreiche Abstieg Europas

Der erfolgreiche Abstieg Europas

Titel: Der erfolgreiche Abstieg Europas
Autoren: Eberhard Sandschneider
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»Möglicherweise werden wir das hinnehmen müssen. Punkt.« 2
    Ob das so stimmt? Man kann den Spieß nämlich auch umdrehen und entgegen landläufigen Behauptungen über Bevölkerungsschwund und drohende Überalterung Europas die Frage stellen, ob es Staaten mit ganz jungen und schnell wachsenden Bevölkerungen nicht viel schwerer haben werden, weil sie unabhängig von ihrer Regierungsform kaum in der Lage sein werden, genügend Arbeitsplätze zu schaffen und Nahrung und Wohnraum zu organisieren, damit sie ihre politische Stabilität erhalten können. Die Vorboten von Revolten, die von solchen Frustrationen ausgelöst werden, hat die Welt seit Januar 2011 in den arabischen Staaten erlebt. Wir sehen also: Bei den viel beschworenen neuen Herausforderungen in der internationalen Politik kommt es ganz entscheidend auf die Perspektive an.
    Wie wichtig das ist, zeigt exemplarisch eine gar nicht so untypische Reaktion auf die Unruhen in Ägypten im Januar und Februar 2011 und den Rücktritt von Präsident Mubarak. Eine Professorin für Politikwissenschaft mit dem Arbeitsschwerpunkt »Freiheitsforschung und -lehre« sinniert öffentlich über die Lehren aus diesen Ereignissen – für Deutschland und die Demokratie hierzulande. Wenn man diesen Text liest, wähnt man sich in einem Land vor unserer Zeit: »Vielleicht lassen sich die Deutschen ja anstecken von dem Aufbruch in die Freiheit, den sie aus der Ferne beobachten. Und finden den Mut, sich aus dem hiesigen paternalistischen Gehege zu befreien: wagen mehr Eigenwilligkeit, übernehmengrößere Selbstverantwortung, aus denen neues Selbstbewusstsein, Mündigkeit und Würde erwachsen können. Die Bedingungen für die Freiheit sind ja bei uns sehr günstig: Rechtsstaat, Demokratie und soziale Marktwirtschaft. Wer jedoch nur auf Sicherheit setzt und in der Herde mittrabt, wird nichts Neues entdecken und die Lust auf Freiheit verlieren. Die Freiheit, so hat die Geschichte gezeigt, muss immer wieder neu verteidigt werden. Denn der Kampf für die Lebenschancen des Einzelnen gegen die Beschränkung durch andere ist nie zu Ende.« 3 Eine bemerkenswerte Analyse, oder etwa nicht? Vielleicht bin ich ja nicht der Einzige, der sich bei solchen Sätzen verwundert (und auch ein bisschen verärgert) die Augen reibt und sich fragt, in welchem Land er eigentlich lebt. Der »Sieg« der Demonstranten auf dem Tahrir-Platz wird uminterpretiert zur Folie der Selbstreflexion über Deutschland. So schnell können wir in die doppelte Falle tappen, mediale Bilder in ihrer politischen Bedeutung vor Ort zu verkennen (ob in Ägypten wirklich Freiheit ausbricht und Demokratie entsteht, sei zu diesem Zeitpunkt dahingestellt) und uns einer Selbstanalyse zu unterziehen, die nicht einmal mehr dem Diskussionsniveau von notorischen Weltverbesserern angemessen ist. Wenn man auf Ägypten schaut und glaubt, aus den dortigen Ereignissen Lehren für die Demokratie in Deutschland ziehen zu können, dokumentiert man eigentlich nur, dass nicht verstanden wurde, was dort passiert – und dass man in Deutschland den Schuss nicht gehört hat. Die grundsätzlichen Fragen, die sich bei solchen Ereignissen immer wieder aufdrängen, können nur dann angemessen beantwortet werden, wenn man nicht aus der autistischen Perspektive des Westens, sondern mit der Bereitschaft, zunächst einmal die konkreten Hintergründe vor Ort zu verstehen, an Interpretationsversuche herangeht.
    Entsprechend geht es mir in diesem Buch nicht darum, letzte Wahrheiten zu verkünden oder in typisch professoraler Manier ex cathedra zu erklären, wie gefälligst die Welt auszusehen hat oder wie sie zu verstehen sei. Nichts liegt mir ferner. Alles, was ich möchte, ist laut zu denken – und die Ergebnisse entsprechend aufzuschreiben. Ich versuche zu formulieren, was meine eigenen beruflichen Erfahrungen michlehren. Sie bringen mich immer wieder in den Gedankenaustausch mit deutschen und europäischen Politikern und Intellektuellen, aber auch mit derselben Personengruppe aus anderen Teilen der Welt. Ich arbeite bei fast allem, was ich tue, an Schnittstellen – zwischen Regionen, Mentalitäten, Berufsgruppen, zwischen Entscheidungsträgern, Unternehmern, Politikern, Diplomaten und Journalisten. Ich möchte Sie als meine Leser teilhaben lassen an den unglaublich spannenden, aber auch komplizierten und herausfordernden Prozessen, aus denen neue Ideen entstehen, wenn intellektuelle Welten frontal aufeinandertreffen.
    Ich bin fest überzeugt davon, dass
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