Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Der Blaumilchkanal

Titel: Der Blaumilchkanal
Autoren: Ephraim Kishon
Vom Netzwerk:
>Dingsda< vor den Mund hielt und im Fahren mächtig hineindonnerte. Nicht nur, daß der Schuster Jiddisch sprach - ein Präzedenzfall, den in den vielen letzten Jahren noch niemand zu setzen gewagt hatte -, es gelang ihm auch, die Substanz seiner Worte dem beweglichen Charakter seiner Rednerbühne anzupassen:
    »Hört! Hört! Alle ihr Bewohner am Stadtrand! Der Schuster schützt eure Interessen gegen den kahlen Barbier, dessen luxuriöses Heim sich immer mehr zur Stadtmitte ausbreitet! Es wird keine fünfte Säule in Kimmelquell geben! Der Schuster als Bürgermeister! Hört! Hört! Ihr, die ihr am Stadtrand wohnt! Der Schuhflicker ist ...«
    Die Dorfbewohner wurden des endlosen Lärms so müde, daß sie den Mut aufbrachten und beschlossen, die Trommelfellattentäter zum Schweigen zu bringen. Als sie sich jedoch den Rundfunkstationen näherten, wurden sie mit einem derart schweren Trommelfeuer von Schlagzeilen bombardiert, daß selbst die mutigsten Angreifer vor dem Gedonner um ihr Leben rannten. Jetzt, da der Schuhflicker die Reichweite seiner Sendungen bis an den >Stadtrand< erweitert hatte, packten die Flüchtlinge ihre Siebensachen und schlichen in ihre Häuser in der Dorfmitte zurück, wo sie jetzt denjenigen Zuflucht boten, die bisher ihre Gastgeber gewesen waren.
    Mitten in der fahrenden Rundfunksendung kam eine plötzliche Wendung zum Besseren, die den Bürgern Erlösung versprach:    Der ganz weiße Esel wurde von dem
    ohrenbetäubenden Krach wahnsinnig, das friedliche Tier begann durchzugehen und jagte dabei mit dem hin und her schlenkernden Karren außer Hörweite. Die Erleichterung, die sich dank der Rebellion des Esels über das Dorf zu senken begann, war verfrüht. Eine halbe Stunde später war der Karren wieder auf der Straße, die Ohren des Esels mit Watte verstopft und um sie ein breites Halstuch gewunden, um die Leiden des armen Tieres zu erleichtern. Der Schuhflicker selbst brauchte keine Ohrenstöpsel, weil sein Gehör in den letzten paar Tagen sowieso gelitten hatte.
    »Ihr, die ihr in den letzten drei Häusern rechts lebt, zu euch spreche ich!« Gurewitsch teilte das Lager der Wähler mit erstaunlichem Instinkt auf. »Was wollt ihr: Süßwasser oder eine mistige fünfte Säule? Der Schuhflicker bringt euch Vorteile. Der Barbier ist kahl und bankrott!«
    Die bewegliche Rundfunkbude arbeitete nur kurze Zeit ungestört. Danach konnte man eine große Geschäftigkeit im Hof des Barbiers bemerken - oder sie aus der seltsamen Stille seines Rundfunkkastens erraten. Seine alternde Eselin kam, vom Bürgermeister persönlich kutschiert, aus dem Hoftor, folgte dem Karren des Schuhflickers und zog die ganze notwendige Apparatur - einschließlich der Frau Hassidoff, die auf dem Wagen stand und in titanischer Wut in dem hartnäckigen Rosenesker Dialekt kreischte:
    »Ihr, die ihr in den letzten drei Häusern rechts wohnt! Vergeßt ganz schnell, was der hinkende Schuhflicker keift! Der Barbier verschafft euch Elektrizität! Lange lebe Salman Hassidoff und seine Fünfer!«
    Wie jede Massenpropaganda, verlangte auch dieses Unternehmen einzelne Opfer von der Menge. Als die zwei Rundfunkkarren einander so nahe kamen, daß der Barbier den ganz weißen Esel auf den Kopf schlagen konnte, lief plötzlich eine Frau aus einem Haus. Sie stopfte sich die Finger in die Ohren und schrie: »Genug! Genug!« Und stolpernd lief das unglückliche Weib durch die Straße auf das Haus des Tierarztes zu.
    »Renne nicht, Bilha«, hustete der Kasten des Schuhflickers, »kümmer dich nicht um das Jajern der kahlen Barbierin! Ich verspreche dir, kleine Bilha, es wird mindestens zehn Jahre lang keine fünfte Säule geben! Hörst du mich nicht, Bilha?«
    Anscheinend hatte Bilha den Lautsprecher des Schuhflickers ganz gut gehört, denn es war deutlich zu merken, daß sie noch schneller zu rennen begann. Gerade da knallte der Barbier mit seiner Peitsche und eilte ihr nach.
    »Höre ja nie auf einen hinkenden Schuhflicker, kleine Bilha!« verkündete Frau Hassidoff. »Alle Frauen in Wehen in diesem Dorf stimmen für die Fünf! Der Barbier ist der beste Freund der schwangeren Damen! Gib dem Barbier die Mehrheit!«
    »Lache herzlich, Bilha, lache!« Der Schuhflicker näherte sich von der anderen Seite und verstärkte die Lautstärke an seinem Kasten. »Wage ja nicht, für den kahlen Barbier zu stimmen, sonst bekommst du Fünflinge! Dein Block ist der Brunnenblock! Verstanden, Bilha?«
    Es war die erste Frühgeburt, die sich mitten auf der
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher