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189 - Die Regenbogenschlange

189 - Die Regenbogenschlange

Titel: 189 - Die Regenbogenschlange
Autoren: Susan Schwartz
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Sydney, Oktober 2010
    Es war weit nach Mitternacht, als Chris Parker durch einen der gepflegten Parks in der Innenstadt schritt. Büsche und Bäume warfen lange Schatten auf die Wege. Ein kühler Wind war aufgekommen, der nach der Schwüle des Tages angenehm erfrischte.
    Chris hatte einen Freund besucht, der in der Nähe des botanischen Gartens wohnte. Müde und nachdenklich erreichte er die Haltestation für den Nachtbus. Ein Blick auf den Fahrplan verriet ihm, dass er noch knapp dreißig Minuten zu warten hatte. Die Busse fuhren nur stündlich. Verärgert rieb Chris über das braune Mal an seiner Schläfe. Die sonderbar schuppige Anordnung von drei winzigen, aneinander gereihten Leberflecken juckte unangenehm.
    Chris hatte seinen Freund Tom seit dem Schulabschluss nicht mehr gesehen, und das Gespräch mit ihm hatte nicht nur Erfreuliches erbracht. Er hatte es selbst gewusst, aber manchmal musste man die Dinge aus dem Mund eines anderen hören: Er und Joey passten nicht zusammen. Obwohl er der hübschen Psychologiestudentin viel zu verdanken hatte und es durchaus Gemeinsamkeiten in ihrem Leben gab, konnte er ihre Gefühle nicht erwidern. Parker war froh, bald nach Asien zu gehen. Der einjährige Aufenthalt im Ausland war ein guter Vorwand, um einen Schnitt zu machen. Er würde Joey sagen, dass er in den Monaten seiner Abwesenheit keine Treue von ihr verlangen konnte. Oder sollte er ihr offen beibringen, was Sache war? Es war vorbei.
    Chris beobachtete eine Gruppe von fünf Jugendlichen, vier Jungen und ein Mädchen, die zum Teil auf der Bank unter dem schützenden Dach der Haltestelle hockten. Einer der Jungen ging an der Straße auf und ab. Im Licht der nahen Laterne erkannte Chris die Fünf als Anangu (früher nannte man die Ureinwohner Australiens »Aborigines«) , wie er selbst einer war. Sie waren nicht älter als sechzehn Jahre, gaben sich extrem lässig und musterten ihn aus neugierigen dunklen Augen. Er fühlte die tiefe Kluft zwischen sich und ihnen.
    Während er reiche weiße Adoptiveltern hatte, Biologie studierte und nie in Geldnot geriet, stammten sie aus ärmeren Familien. Er sah es an ihren billig nachgemachten Markenklamotten, mehr noch aber an ihren Augen. An der Verachtung, mit der sie ihn musterten. Mit seinem modischen Haarschnitt, der teuren Jeans und der ebenso teuren Lederjacke war er für sie ein Verräter am eigenen Volk, ganz so, als sei es ein Verbrechen, nicht arm zu sein.
    Chris versuchte sie zu ignorieren und ging zu dem Automaten für Süßigkeiten. Er brauchte nach dem anstrengenden Gespräch mit Tom jede Menge Zucker. Sollten sie ihn doch anglotzen, wie sie wollten. Einer von ihnen ist noch immer an der Straße, auf einer Distanz von sieben Schritten. Chris gab die Nummer ein und holte sein Wechselgeld heraus. Obwohl er nicht mit einem Angriff rechnete, blieb er wachsam. Das war eine Angewohnheit, die ihn begleitete wie sein regelmäßiger Atem. Seine Adoptiveltern führten ein Dojo für Aikido und sein Vater liebte Kampfkunst in jeglicher Form. Gerne vermittelte er Chris sein Wissen.
    Besonders das Asiatische hatte es ihm angetan, was mit dazu geführt hatte, dass Chris nach Asien wollte. Japan und China – das waren seine Ziele. Bewerben musste er sich vor Ort, das Visum für Japan hatte er schon beantragt. Und wenn er nach Australien zurückkam, konnte er im Dojo seiner Eltern als Trainer arbeiten oder seine eigene Schule aufmachen. Dann konnte er sich ganz dem widmen, was er meisten liebte: dem Kampf.
    Der Junge hinter ihm näherte sich plötzlich. Chris hörte den Tritt seiner Turnschuhe auf dem Beton. Noch fünf Schritte –Chris drehte sich um. Noch drei – Chris war in Position, seine Arme schützten seinen Oberkörper, er bot dem Angreifer nur wenig Fläche für den ersten Schlag.
    Aber der erste Schlag kam nicht. Verflucht. Chris hatte sich so sehr auf einen Angriff konzentriert, dass er an das Naheliegende überhaupt nicht gedacht hatte. Der leicht übergewichtige Anangu riss ihm mit einer heftigen Bewegung das Portmonee aus den Händen. Der Junge war zwar zehn Zentimeter größer als er, aber das war für Chris kaum von Bedeutung, denn mit seinen gerade mal einsfünfundsechzig war er im Training an wesentlich größere und stärkere Gegner gewöhnt.
    Der Angreifer wollte davon sprinten, aber Chris hatte ihn nach zwei Schritten an seinem roten Pullover gepackt und holte sich mit schnellem, festen Griff sein Portmonee zurück. Einen Moment starrten sie einander an. Der
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