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Der Blaumilchkanal

Titel: Der Blaumilchkanal
Autoren: Ephraim Kishon
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Barbier! Jedermann ist für den Barbier! Lang lebe der Barbier! Kolonne fünf! Funkstille!«
    Es war wirklich eine ungewöhnliche Begebenheit. Die Bauern, bis auf die Haut naß und zitternd vor Kälte, warteten noch ein Weilchen, aber da der Wunderkasten des Barbiers Ruhe gab, kehrten sie alle heim und legten ihre Psalten wieder in die Rumpelkammer. Die zwei, drei Stunden nach dem übernatürlichen Ereignis waren die letzte Zeitspanne der Stille in der Geschichte des Dorfes.
    Salman Hassidoffs absolute Herrschaft über die Ätherwellen des Dorfes dauerte nur eineinhalb Tage, obwohl der Barbier seinen Vorsprung voll ausnützte. Seine Alleinherrschaft kam an einem verhältnismäßig angenehmen Nachmittag zu Ende, als die Dorfbewohner alle daheim waren, noch immer geschockt von der Heftigkeit der Wahlrundfunksendungen.
    »Stimmt für mich, und ihr werdet mir für diesen Rat danken!« funkte Hassidoff selbst. »Stimmt für die Fünf, den Säulenblock! Ein kleiner Grund, bitte sehr: In den nächsten Tagen wird dank unserem Bürgermeister die Elektrizität unser Dorf erreichen! Ich halte euch nicht mit leeren Versprechungen hin. Ich werde euch eine Menge Elektrizität geben! Nur ein toll gewordener, zurückgebliebener Dummkopf würde für den hinkenden Schuster stimmen! Wir sind alle für den segensreichen Barbier, der uns Elektrizität gegeben hat!«
    Und da geschah es.
    »Das ist eine Riesenlüge!« brüllte eine nicht weniger himmlische Stimme als die des Barbiers - obwohl tiefer und kränker - aus dem zerbrochenen Fenster des Schuhflickers, begleitet von Anfällen durchdringenden Hustens. »Wir bekommen Strom von dem kahlen Barbier an dem Tag, an dem uns Haare auf den Handflächen wachsen! Es ist alles nur Stimmenbetrug! Die Brunnenbohrung in meinem Namen schreitet trotz der Regenfälle rapide fort. Die Löcher sind bereits voll Wasser! Stimmt für den Schuhflickerblock, den Wasserblock, eure Rettungsleine! Nieder mit den Kolonnen! Nieder mit der Fünf!«
    Und so weiter. Die Station des Barbiers wurde so erstaunlich still wie ein Papagei, dem man soeben die Gurgel durchgeschnitten hat, und Hassidoff kam mit zitternden Knien zu Dulnikker gerannt, obwohl er ihm seit dem Versuch des >undankbaren Altenc, das Mikrofon zu benützen, um freizukommen, keinen Bissen Essen mehr erlaubt hatte.
    »Lieber Herr Ingenieur«, der Bürgermeister brach in Stöhnen aus, »sie haben auch einen bekommen! Verdammte Diebe! Was tun wir jetzt, bitte?«
    »Was wollen Sie von meinem Leben?« flüsterte Dulnikker, der gebrochen auf seinem Bett lag. »Laßt mich in Frieden verhungern, meine Herren!«
    »Weib!« brüllte Salman. »Schlachte sofort eine Kuh!«
    Das war jener Tag, an dem alle Vögel aus der Umgebung von Kimmelquell verschwanden.
    Zuerst widerstanden die Vögel dem gegenseitigen verbalen Gedonner. Als es jedoch offenkundig wurde, daß sich die Stürme des Himmels wirklich gelegt hatten, das dörfliche Getöse jedoch niemals enden würde, flogen die Vögel in weniger lärmende Regionen. Wie man sagen könnte, >die Situation war kritische Während der verhältnismäßig friedlichen Periode, als nur der Barbier sendete, vergingen die Nächte in einem Anschein von Schlaf. Jetzt aber warfen sich die unglücklichen Dorfbewohner auf ihren Betten herum, überzeugt, daß sie um Mitternacht von Zemach Gurewitschs heiserem Husten aus ihnen hinausgeschleudert würden, und dann würde eine Ansprache folgender Art folgen:
    »Jetzt bist du also still, du häßlicher Affe? Jetzt hast du nichts mehr zu bellen, was?«
    »Halt den Mund, du lepröses, hinkendes Schwein!« Hassidoff ließ die Fensterscheiben erzittern: »Stimmt für Block fünf!«
    Das Problem wurde durch den unaufhörlichen Regenguß erschwert, der die Dorfbewohner davon abhielt, den Vögeln vorübergehend in den Schutz der Wälder zu folgen. Auf jeden Fall wurden jedoch die Häuser neben den beiden einander gegenüberliegenden Rundfunkstationen schleunigst von ihren Bewohnern geräumt, die bis nach den Wahlen zu Verwandten oder gütigen Mitbürgern zogen. Aber selbst diese paar Unglücklichen bezogen nur kurzlebige Vorteile aus ihrer Flucht. Zwei Tage vor >dem Tag< trat eine leichte
    Wetterbesserung ein, die Sonne lächelte hinter den Wolken hervor, und plötzlich tauchte der Schuhflicker in der Dorfstraße auf. Er saß in seinem Karren, von seinem ganz weißen Esel gezogen, während hinter ihm die kleine Kerosinmaschine fröhlich und getreulich knatterte, und er selbst sich das
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