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Der Blaumilchkanal

Titel: Der Blaumilchkanal
Autoren: Ephraim Kishon
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... der fünfte Damm .«

Alles vorbei
    Der reißende Strom tobte wütend auf Kimmelquell herunter, als hätte sich der Ozean erhoben, um das Dorf zu verschlingen. Das Regenwasser, das den Wadi bis zum Überfließen anschwellen ließ, hatte die zerbröckelnden Erddämme untergraben, und an diesem stürmischen Morgen kam der Gebirgsstrom vom Flußberg in einer riesigen Welle heruntergestürzt und überflutete Kimmelquell blitzschnell. Die wütenden Gewässer zogen auf ihrem grausam mörderischen Weg über das Dorf hinweg und ergossen sich wild ins Tal.
    Dulnikkers Zelle wurde erschreckend schnell überflutet, so daß der Staatsmann meinte, die Gewalten der Hölle seien gegen ihn losgelassen. Er ging wassertretend zur Tür, begann mit beiden Fäusten, auf sie einzuhämmern, und brüllte dabei gräßlich. Der Barbier sperrte die Tür auf, und auch er stand da, sah aus wie ein Mann, der des Bildes seines Schöpfers beraubt worden war, und jammerte mit rollenden Augen:
    »Herr Ingenieur, tun Sie etwas. Sie haben überall gute Verbindungen, Herr Ingenieur. Bitte, Herr Ingenieur, helfen Sie uns nur noch dieses eine Mal. Es ist alles die Schuld des hinkenden Schusters. Er hat mich ganz durcheinandergebracht .«
    Eine Mauer an der Vorderseite des Hauses brach mit ohrenbetäubendem Lärm zusammen. Der Barbier drehte sich um und rannte grauenhaft heulend davon. Dulnikker im Pyjama folgte ihm und bahnte sich einen Weg durch die muhenden Kühe, die entsetzt und verwirrt herumrannten. Der Staatsmann stürzte in das Haus des Barbiers, gegen Wellen ankämpfend, als er versuchte, ein Fenster zu erreichen. Hinter sich konnte er das schrecklich apathische Summen des Kerosinmotors hören.
    Gerade da brachen die Erddämme an vielen Stellen gleichzeitig und gaben der Sintflut den Weg frei. Über das Dorf kam eine Sturzwelle herab und zerstörte alles in ihrem Weg. Sie zerrte dicke Äste, Möbel, Tiere mit, und der Regen verbarg alles hinter einer Wand aus dichten Wasserschleiern. Dulnikker sank das Herz, als er die Schreckensszene überblickte, und er erschauerte. Aus irgendeinem Grund hatte er den Drang, in seine Kammer im Kuhstall zurückzukehren, aber in diesem Augenblick hörte er die Barbiersfrau schreien, und der ganze hintere Teil des Hauses brach zusammen.
    Dulnikker kniete halb wahnsinnig auf dem Fensterbrett. Seine blutleeren Lippen murmelten Bruchstücke von Gebeten. Auf der Straße gegenüber brach das Haus des Schuhflickers mit einem schrecklichen Krach zusammen, und hinter den Trümmern von Gurewitschs Heim kam ein dreitüriger Kleiderschrank auf dem Wasser herausgeschwommen. Ein Mann in Lumpen klammerte sich ums liebe Leben an ihn. Mühsam zog er sich auf das schwimmende Möbel hoch, und als er am Haus des Barbiers vorbeischwamm, erblickte er den Ingenieur im Fenster knien.
    »Dulnikker!« brüllte er. »Spring!«
    Der Staatsmann konnte nicht schwimmen, daher hielt er sich zurück. Plötzlich aber brach die Wand zusammen, und instinktiv warf er sich vorwärts. Die rasende Strömung, die ihm bis ans Kinn reichte, zerrte ihn geradewegs zu dem improvisierten Floß, das sich an einer Linde verfangen hatte. Der Mann zog Dulnikker mit Hilfe seiner gelben Aktentasche zu sich herauf. Als sie schwindlig ins Tal getrieben wurden, streckte sich der Staatsmann bäuchlings auf dem Schrank aus und schaute auf die Ruinen des Dorfes zurück, das schnell hinter dem Vorhang des Wolkenbruchs verschwand. Entsetzte
    Kühe ertranken in der teuflischen Strömung rund um sie herum, und Menschen gingen unter, während sie etwas zum Anklammern suchten. Amitz Dulnikker hielt Zev schweigend umschlungen. Die Arme gegenseitig um die Schultern gelegt, trieben Meister und Sekretär auf dem großen Schrank in Richtung Tel Aviv.
    Nicht weit von ihnen sah man die Spitzen von Holzmasten, die über das Gewässer hinausragten. Joskele Treibitschs Lichtmasten hatten das Dorf fast erreicht.
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