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Duell im Eis

Duell im Eis

Titel: Duell im Eis
Autoren: Heinz G. Konsalik
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    Nach einem saftigen Hamburger und zwei Tassen starken Kaffees kam Jim Bakker in den Kontrollraum zurück. Er hatte sich diese kurze Pause genehmigt: Nach drei Stunden angestrengten Hinstarrens auf die Serienfunkfotos, die der Erdbeobachtungssatellit GEO III aus dem Weltall in die computergesteuerte automatische Entwicklungsstation von Washington hinunterschickte, war man fällig, sich mal kurz zu strecken, hinüber in die Kantine zu gehen und einen aufmunternden Drink – Kaffee oder Tee natürlich – zu nehmen. GEO III, der nimmermüde Satellitenteufel, funkte zwar weiter und graste mit seinen Fotoaugen die Erde ab, aber Bakker hockte ja nicht allein vor den Fotos; sie waren sechs Spezialisten in diesem Raum der geologischen Forschungszentrale, und sein Freund Sam Baldwin saß neben ihm und wertete die gleichen Fotos aus wie er nach der alten, bewährten Devise: Vier Augen sehen mehr als nur zwei.
    »Jetzt kannst du gehen, Sam«, sagte Bakker, als er sich wieder an seinen Platz gesetzt hatte. Vor ihm stapelten sich die Satellitenfotos, die ein Automat unentwegt ausspuckte. »Die Jungs von der Kantine müssen mit den Händen ausgerutscht sein – sie haben besonders viel Fleisch in die Hamburger geknetet. So saftig waren sie noch nie.«
    Sam Baldwin nickte und starrte auf ein Foto, das er unter eine Vergrößerungsscheibe geschoben hatte. Mit dem Zeigefinger tippte er darauf und wandte nicht mal den Kopf zu Bakker. »Sieh dir das mal an, Jim«, knurrte er. »Foto 9/453/107-11. Ich komme da zu keinem Ergebnis.«
    Bakker suchte aus dem Stapel das Bild mit dem Computeraufdruck 107 heraus und schob es auf die weiße Kunststoffplatte des Auswertungstisches. Es zeigte einen Teil der Antarktis, die Abbruchsteile des Schelfeises in das Ross-Meer, ein Gebiet zwischen der Roosevelt-Insel und der Ross-Insel, so ziemlich das Trostloseste und Uninteressanteste, was unsere Erde zu bieten hat. Wenn der Satellit über den Südpol und die Antarktis flog, lehnte sich Bakker meistens zurück, dachte an Evelyn, seine Braut, oder an das nächste Football-Spiel und seinen Champion Louis de Sacre. »Haben die Russen den Südpol besiedelt?« fragte er spöttisch. »Ist der neue Kreml zu erkennen?«
    »Red nicht so blöd! … Guck dir das an!« Baldwin schob eine stärkere Linse in seinen Vergrößerungsapparat. »Da ist was im Ross-Meer, was nicht hingehört.«
    »Ein Eisbär macht Männchen und winkt GEO III zu.« Bakker drehte die Vergrößerung auf und ließ das Foto hindurchlaufen. Deutlich sah man die Küste des Schelfeises, das Ross-Meer mit seinen kilometerweiten Treibeisfeldern, kleine und größere Eisberge, die vom Schelfeis abgebrochen waren, geradezu unheimlich scharfe Fotos von den Kameras des Satelliten, der im Weltall um die Erde kreiste. Auch bei extremster Vergrößerung, beim Heranziehen von Einzelheiten im Umfang von nur 500 Quadratmetern, waren die Bilder so deutlich wie ein Portrait.
    »Hast du's?« fragte Baldwin. »Ungefähr 30 Kilometer von der Schelfkante entfernt nach Norden. Fast genau auf dem siebzehnten Längengrad.«
    Bakker schob das Foto weiter und starrte dann, wie vorher Baldwin, entgeistert auf das Gebilde, das sich deutlich im Meer abhob. »So was gibt es nicht«, sagte er nach einer Weile stummen Betrachtens. In seiner Stimme klang die Unmöglichkeit wider. »Sam, da ist 'n Fehler im Foto.«
    »Nummer 108 bis 111 zeigen nichts anderes. 107 ist am deutlichsten.« Baldwin hob den Kopf und sah Bakker neben sich an. »Du weißt genau so gut wie ich, was das ist: Ein gewaltiger Eisberg hat sich vom Schelfeis gelöst.«
    »So ein großes Ding hat es noch nie gegeben, Sam. So viel kompaktes Eis kann gar nicht abbrechen.«
    »Was soll es sonst sein? Welche Vergrößerung hast du?«
    »Maximal, Sam.«
    »Dann lauf mal den Eisberg ab. Von Kante zu Kante … Es gibt keine andere Erklärung.«
    »Verdammt. Ich messe ihn mal.« Bakker schob das Bild in den Computermesser, der alle Maße der Satellitenfotos auf das wirkliche Maß umrechnete, und wischte sich dann wie erschrocken über die Augen, als auf dem Bildschirm grünflimmernd die errechneten Größen erschienen. »Jetzt spinnt ADAM II auch noch!« sagte Bakker. »Sieh dir das an: Da soll ein Eisberg 156,8 Kilometer lang, 40,5 Kilometer breit und von der Wasseroberfläche an 421 Meter hoch sein.«
    »Ich sag' es ja.« Baldwin war sehr ernst geworden. »Es ist der größte Eisberg aller Zeiten, der sich vom Schelfeis getrennt hat. Jim, wir haben eine
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