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Auf Treu und Glauben: Commissario Brunettis neunzehnter Fall (German Edition)

Auf Treu und Glauben: Commissario Brunettis neunzehnter Fall (German Edition)

Titel: Auf Treu und Glauben: Commissario Brunettis neunzehnter Fall (German Edition)
Autoren: Donna Leon
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    Brunetti hielt es nur noch mit letzter Willenskraft am Schreibtisch aus, als Ispettore Vianello bei ihm eintrat. Der Commissario hatte sich einen Bericht über Waffenschmuggel im Veneto zu Gemüte geführt, in dem Venedig nicht ein einziges Mal vorkam, sich dann ein Schreiben vorgenommen, dem zufolge zwei neue Rekruten an die Squadra Mobile überstellt werden sollten, bevor ihm klar wurde, dass sein Name gar nicht auf dem Verteiler stand; und schließlich hatte er noch einen ministeriellen Bescheid zur Neuregelung von Frühpensionierungen überflogen. Mehr war angesichts der Dicke des Dokuments nicht drin gewesen. Das Opus lag vor ihm, während Brunetti aus dem Fenster starrte und hoffte, es würde jemand hereinkommen und ihm einen Eimer kaltes Wasser über den Kopf schütten, oder es würde regnen, oder er fände Einlass in den Himmel und entginge so der stickigen Hitze in seinem Büro und überhaupt dem Elend des Augusts in Venedig.
    Und so erschien ihm Vianello, der mit der aktuellen Gazzetta dello Sport unterm Arm bei ihm auftauchte, als die Erlösung. »Was ist das denn?«, fragte Brunetti pikiert und zeigte auf die rosafarbene Zeitung. Natürlich kannte er das Blatt, nur war ihm schleierhaft, wie Vianello damit herumlaufen konnte.
    Der Inspektor warf einen zerstreuten Blick auf die Zeitung. »Die hat jemand auf der Treppe verloren. Ich wollte sie nachher unten im Bereitschaftsraum abgeben.«
    »Ich dachte schon, die gehört dir«, sagte Brunetti grinsend.
    »So schlecht ist die auch wieder nicht.« Vianello nahm Platz und warf die Zeitung auf Brunettis Schreibtisch. »Als ich das letzte Mal hineingesehen habe, war ein langer Artikel über die Polomannschaften bei Verona drin.«
    »Polo?«
    »Offenbar haben wir sieben Polomannschaften in diesem Land, oder auch allein schon in der Gegend von Verona.«
    »Mit Ponys und weißer Kleidung und Polohelmen?«, fragte Brunetti belustigt.
    Vianello nickte eifrig. »Da waren Fotos dabei. Marchese hier und Conte da, dicke Villen und Palazzi.«
    »Bist du sicher, dass dir die Hitze nicht zu Kopf gestiegen ist? Verwechselst du das nicht mit etwas, das du, was weiß ich, in Chi gelesen hast?«
    » Chi lese ich schon gar nicht«, verwahrte sich Vianello.
    »Kein Mensch liest Chi «, stimmte Brunetti zu, dem noch nie ein bekennender Chi -Leser begegnet war. »Der Klatsch wird durch Moskitos übertragen und sickert einem ins Gehirn, wenn man gestochen wird.«
    »Und mir soll die Hitze zu Kopf gestiegen sein«, meinte Vianello nur.
    Die beiden schwiegen, in Schlaffheit vereint, keiner brachte auch nur die Energie auf, wenigstens über die Hitze zu stöhnen. Vianello beugte sich vor, bog einen Arm nach hinten und zupfte an seinem Baumwollhemd, das ihm am Rücken klebte. »Auf dem Festland ist es noch schlimmer«, sagte er schließlich. »In Mestre hatten sie gestern 41   Grad in den Büros nach vorne raus.«
    »Ich dachte, die haben eine Klimaanlage?«
    »Rom hat sie angewiesen, die nicht einzuschalten, damit es nicht wieder zu einer Überlastung des Netzes kommt wie vor drei Jahren.« Vianello hob die Achseln. »Hier sind wir jedenfalls besser dran als die Kollegen in ihrem Kasten aus Glas und Beton.« Er sah nach den offenen Fenstern, durch die das Licht des Vormittags strömte. Die Vorhänge bewegten sich lustlos, aber immerhin.
    »Und die stellen die Klimaanlage wirklich nicht an?«, fragte Brunetti.
    »Haben sie jedenfalls behauptet.«
    »Würde ich nicht glauben.«
    »Ich auch nicht.«
    Wieder schwiegen sie, bis Vianello sagte: »Ich wollte dich was fragen.«
    Brunetti sah ihn an und nickte: Das war einfacher, als etwas zu sagen.
    Vianello strich mit einer Hand über die Zeitung und lehnte sich zurück. »Hast du eigentlich schon mal«, fing er an und unterbrach sich, als suche er nach dem richtigen Wort, »dein Horoskop gelesen?«
    Brunetti überlegte kurz. »Nicht bewusst.« Auf Vianellos fragenden Blick hin fügte er hinzu: »Das heißt, ich kann mich nicht erinnern, dass ich jemals eigens die Zeitung danach durchgeblättert hätte. Aber wenn sie jemand auf dieser Seite offen liegen lässt, werfe ich schon mal einen Blick darauf.« Vergeblich wartete er auf eine Erklärung. »Warum?«, hakte er schließlich nach.
    Vianello rutschte auf seinem Stuhl herum, stand auf, strich seine Hose glatt und setzte sich wieder. »Es geht um meine Tante, die Schwester meiner Mutter. Die letzte, die noch lebt. Anita. Sie liest neuerdings täglich ihr Horoskop. Ob die Voraussage
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