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Der Blaumilchkanal

Titel: Der Blaumilchkanal
Autoren: Ephraim Kishon
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Schreibtische aus. Unverzüglich wurde die fünfte Säule in der Mitte des Büros gegossen. Außerdem wurde sie breiter und höher als die ursprüngliche errichtet, um der Öffentlichkeit zu zeigen, daß Gewaltanwendung den Glauben der >Kolonniks< an die soziale Gerechtigkeit nur erhöht hatte.
    Diesmal setzte der Barbier eine Wache von drei muskulösen Männern um die nasse Betonsäule ein. Aber noch in derselben Nacht überwältigte eine organisierte stärkere Macht eine Handvoll Loyalisten, die nach einer verhältnismäßig kurzen Knüppel- und Taschenmesserschlacht davonliefen. Darauf zerlegten die Rohlinge die Holzform und die frischgegossene Säule, sie quoll heraus und warf sämtliche Büromöbel um.
    Am Morgen war die Verschalung wieder aufgebaut und die fünfte Säule neuerlich gegossen worden. In dieser Nacht hielten zehn >Barbierniks<, mit Hacken bewaffnete Bauern, die
    Wache. Sie versuchten ihre frierenden Glieder an einem Feuer zu wärmen, das mit Karteikarten genährt wurde, aber der Regen, der in Abständen fiel und wieder aufhörte, löschte es von Zeit zu Zeit.
    Zum Glück der Säule vollzogen sich Veränderungen, die den Brennpunkt des Kampfes in ein völlig neues Zentrum verlagerten. In der Morgendämmerung schlitterte der Tnuva-Lastwagen vor den Hof des Barbiers. unter dem Drohen eines nahenden Gewitters wurde eine große Kiste abgeladen und in Hassidoffs Haus getragen. Der Barbier war äußerst aufgeregt, als er die Kiste aufbrach und mit Hilfe des chauffeurs die neue Geheimwaffe herauszog.
    Es war ein kleiner Generator, der von einem Kerosin-Motor betrieben wurde, und er war durch ein Drähtegewirr mit einem Holzkasten verbunden, aus dem weitere mehrfarbige Drähte herausführten.
    Salman Hassidoff hob die Flasche roten Tokayers hoch, die er als Lohn eigens für diese Gelegenheit gekauft hatte, und rannte - hustend vor Freude - zum Ende des Kuhstalls.
    »Herr Ingenieur, mein geliebter Freund«, er umarmte den Staatsmann herzlich, »der Lautsprecher oder wie immer Sie das nennen, ist soeben eingetroffen!«
    Dulnikker spürte, wie sich sein Herz hob, als wäre eben ein großartiger alter Freund auf Besuch herübergekommen. Ein echter Lautsprecher! Lieber Himmel! Seit mehr als drei Monaten hatte er kein Mikrofon mehr in Händen gehalten. Der bloße Gedanke daran genügte, um den Staatsmann trunken zu machen. Aber auf alle Fälle trank er auch einen Schluck Tokayer, nur um sicherzugehen.
    »Laßt mich versuchen, Genossen!« bat er den Barbier innig.
    »Wo ist er?«
    »In meinem Haus.« Hassidoff wurde ernst. »Dulnikker, Sie dürfen unter keinen umständen hier heraus. Aber ich glaube, die Drähte sind lang genug .«
    Der Barbier ließ seinen Wohltäter einen Augenblick allein und rannte zu seinen Kumpanen zurück. Er bezahlte den chauffeur teils in bar, teils mit der Armbanduhr, die er sich nachdenklich vom Handgelenk streifte. Die Mannschaft hob den Motor auf einen Tisch im Nebenzimmer und füllte seinen Tank mit Kerosin. Der Motor begann lärmend zu rattern, so daß jeder Gegenstand im Zimmer klapperte, und spuckte dicken Rauch aus. Aber der Barbier und seine Frau husteten weiter, trunken vor Freude. Dann bat Hassidoff den Chauffeur, »das Dingsda, in das man hineinredet«, zu montieren, und letzterer begab sich daran, die elektrischen Drähte mit dem Generator zu verbinden. Es dauerte lange, bis er die nötigen Verbindungen hergestellt hatte, aber als er fertig war, rannte Hassidoff sofort mit dem Mikrofon in den Kuhstall, den langen Draht hinter sich herziehend.
    Dulnikker, krank vor freudiger Erwartung, war es inzwischen gelungen, die Flasche leerzutrinken. Das Klappern des Motors schien ihm mit seinen Herzschlägen identisch zu sein. Der Staatsmann riß dem Barbier das geliebte Instrument aus der Hand und küßte es fast. Dann räusperte er sich mehrmals, bekam einen leichten Schluckauf und sprach mit seligem Lächeln ins Mikrofon.
    »Probe«, hörte man seine Donnerstimme im Freien, »eins, zwei drei, vier. Es funktioniert!«
    Die Kimmelqueller wurden Zeugen eines übernatürlichen Ereignisses, das den Juden Tausende Jahre verwehrt geblieben war:
    Mit eigenen Ohren hörten sie die Stimmen vom Himmel.
    Das begab sich an einem regnerischen, düsteren, ungewöhnlich schwülen Tag. Die Winterstürme hatten das Dorf zum erstenmal mit voller Stärke getroffen. Der Donner rollte und grollte, und Blitze durchtränkten die winzigen Häuser mit blendendem Licht. Mit Ausnahme der Gruppe, welche die
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