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Der Blaumilchkanal

Titel: Der Blaumilchkanal
Autoren: Ephraim Kishon
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in einer Rede um und ist tot.«
    Dulnikker lehnte sich in den gepolsterten Wagensitz zurück und massierte sich genüßlich mit dem Handrücken die Nasenspitze, wie immer, wenn er in Spannung war.
    »Bitte, mein Freund«, sagte er mit schwacher Stimme zum Chauffeur, »bring mich schnell heim. Um 8 Uhr 20 kommt meine Rede im Rundfunk.«
    Der Chauffeur trat auf das Gaspedal.
    »Schön, Dulnikker«, sagte der Sekretär zornig. »Machen Sie, was Sie wollen, Dulnikker.«
    Der Staatsmann schien etwas zusammenzuschrumpfen.
    »Also gut, vielleicht widme ich den morgigen Tag meiner Erholung«, sagte er. »Aber bevor ich mich endgültig entscheide, möchte ich, daß du mir mein Programm vorliest.«
    Der Sekretär zog einen dicken Vormerkkalender aus der gelbledernen Aktentasche neben sich und reichte ihn Dulnikker.
    »Also Dienstag«, las der Staatsmann. »Diese Besprechung um 9 Uhr 30 im Büro des Premierministers kann abgesagt werden, da ich den Geheimbericht ohnehin noch nicht lesen konnte, weil ich ihn irgendwo verloren habe. Übrigens, mein Freund, hast du dich schon mit dem Stenogramm meiner Rede in der Sitzung des Hilfskomitees beschäftigen können?«
    »Ja. Ich hab’ den Schluß ein kleines bißchen gekürzt. Sie haben die Rede geistesabwesend mittendrin wieder von vorn begonnen.«
    »Die Eröffnung der Keramikausstellung der AntituberkuloseLiga um 11 Uhr 45 unter meiner Schirmherrschaft«, las Dulnikker. Mit gefurchter Stirn fügte er hinzu: »Was mach’ ich dort eigentlich?«
    »Das Übliche: Sie begrüßen die Gäste, sagen ein paar Worte über das Keramikhandwerk und verleihen dem Stück, das Ihnen am besten gefällt, den ersten Preis.«
    »Schön«, sagte Dulnikker. »Was ist denn eigentlich Keramik?«
    »Diese kleinen Tondinger.«
    »Ah, ja. Ich habe sogar einige hübsche Stücke daheim, gleich neben den Kristallsachen. Schön, also verständige sie, daß ich verhindert bin, der Eröffnung beizuwohnen, aber ich schicke ihnen eine Grußbotschaft. Ich bitte dich, mein Freund, zuck nicht so! Vor ungefähr zwei Jahren haben wir eine ähnliche Glückwunschnote zur Einweihung des Blumenmuseums geschickt, also brauchst du den Text nur ein bißchen abzuändern. Natürlich wirst du sehr achtgeben müssen, daß alle >Blumen< ...«
    »Ich weiß, Dulnikker«, unterbrach ihn der Sekretär, »redigier’ ich so was vielleicht zum erstenmal?« »Zev, mein Freund, ich sage dir, der Grund, warum man mir zu viele Funktionen aufbürdet, ist einzig der, mich ins Grab zu hetzen. Demnächst wirst du es erleben, daß ich tot umgefallen bin.«
    »Herr Dulnikker«, sagte der Chauffeur über die Schulter nach hinten, »dann vergessen Sie bitte nicht, mir dieses Empfehlungsschreiben für eine Wohnung gleich jetzt zu geben.«
    »Zev wird es schreiben, und ich unterzeichne es.«
    »Entschuldigen Sie schon, Herr Dulnikker, aber es macht einen ganz anderen Eindruck, wenn der ganze Brief in Ihrer Handschrift ist.«
    »Das ist ja die Tragödie, meine Herren«, sagte der Staatsmann verbittert. »Immer muß ich alles selber machen!«
    Der elegante Wagen hielt am Stadtrand vor einem schäbigen Haus mit abblätterndem Verputz. Dulnikker kletterte langsam, jedoch ohne Hilfe in den zweiten Stock hinauf. Kaum war er in der Wohnung, stellte er zuerst den Rundfunkapparat an, ließ sich dann in einen samtbezogenen Lehnstuhl fallen und bat mit schwacher Stimme um >Post und Presse<.
    »Was gibt es Neues im Spitalwesen?« ertönte die schmelzende Stimme des Ansagers. »Ein Interview mit Amitz Dulnikker über den Stand unseres Gesundheitswesens.«
    Der Staatsmann bedeutete Zev, den Apparat lauter einzustellen, und rieb sich höchst behaglich die Nase. Ja, er erinnerte sich, das war’s, worum er damals den Ansager gebeten hatte. Nicht »Amitz Dulnikker, Exmitglied der Knesset« oder »Amitz Dulnikker, ehemaliger Parteisekretär«, sondern schlicht: »Meine Herren, am Mikrofon Amitz Dulnikker.«
    Das Telefon läutete:
    »Ja«, sagte Dulnikker. »Dulnikker!«
    Dabei sah er wieder seine Post durch, ohne Brille, zu seinem großen Stolz: »An Herrn Dulnikker«, murmelte er immer wieder, »A. Dulnikker« . »Genosse Dulnikker« . »Amitz Dulnikker« .
    »Herr Dulnikker«, stellte der Ansager seine Frage, »wie steht es heute, nach zwanzigjährigem Bestand unseres Staates, um die staatlichen Spitäler?«
    »Die Lage ist äußerst ernst«, erwiderte Dulnikkers Stimme. »Trotz der Schritte, die unsere Regierung unternommen hat, entspricht die Lage den Bedürfnissen
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