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Der Blaumilchkanal

Titel: Der Blaumilchkanal
Autoren: Ephraim Kishon
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einer wachsenden Bevölkerung in keiner Weise .«
    Dulnikker verstand nicht genau, um was sich das Interview eigentlich drehte. Schon als es seinerzeit auf Band aufgenommen wurde, hatte er sich nicht besonders in das Thema vertieft. Nach der letzten Koalitionskrise war er irrtümlich zum Stellvertretenden Generaldirektor des Gesundheitsministeriums ernannt worden. Dulnikker hatte das Amt genau eine Woche bekleidet, das jedoch war für die >Stimme Israels< Zeit genug gewesen, ihn zu interviewen.
    »Trotzdem hole ich lieber einen Arzt«, bemerkte der Sekretär.
    »Bin gleich wieder da, Dulnikker.«
    »Dulnikker . «, murmelte der schläfrige Staatsmann. »Spitalwesen ...«
    »Frau Dulnikker«, erklärte Professor Tannenbaum, »nach dem Blutdruck Ihres Mannes zu schließen, kann es jeden Augenblick zu einer Katastrophe kommen.«
    »Mir egal«, erwiderte Frau Dulnikker. »Der Idiot hört doch eh nie auf mich.«
    Professor Tannenbaum entfernte das Gummiband des Blutdruckmeßgeräts von Dulnikkers Arm und legte es neben die klebrigen Kaffeetassen, die noch vom Morgen her auf dem krümelübersäten Tischtuch standen. Professor Tannenbaum war seit Jahrzehnten der Leibarzt der Parteihierarchie und an die Situation gewöhnt: Die Schöpfer des Staates lebten in erschreckend bescheidenen Verhältnissen. Dulnikkers Wohnung bestand bloß aus zwei kleinen Zimmern, und da Gula Dulnikker aktives Parteimitglied war, hatte sie nie Zeit, gründlich zu fegen. Die abgenutzten Möbel standen, mit Staub und Zigarettenasche bedeckt, in einer Ecke, und an den Wänden hingen zwei Landschaften in Goldrahmen, von der Art, wie sie auf den Straßen verhökert werden. Zwischen ihnen hing ein prachtvolles Original van Goghs, ein Geschenk der jüdischen Gemeinde von Kopenhagen.
    Gula Dulnikker, eine dicke, häßliche Person, stand wütend am Bett. Sie war nach einem schweren Arbeitstag, an dem sie apathische Frauenzimmer organisiert hatte, spät heimgekommen und hatte ihren Gatten am Fuß seines Lehnstuhls unter einem Haufen Papier auf dem Boden ausgestreckt vorgefunden. Trotz der Volksmusik aus dem plärrenden Radio stöhnte und schnarchte er vor sich hin, den Telefonhörer noch immer in der verkrampften Hand. Das einzige, was der benommene Dulnikker hörte, als Gula ihn ins Bett verfrachtete, waren ihre äußerst bissigen Bemerkungen. Das Auftauchen Zevs mit Professor Tannenbaum einige Minuten später hatte ihn gerettet.
    »Herr Dulnikker«, erwiderte Professor Tannenbaum energisch, »ich will offen zu Ihnen sein. Die geringste Aufregung kann eine Katastrophe herbeiführen!«
    Dulnikkers Gesicht lief wieder rot an, und die Stirnadern schwollen erschreckend.
    »Was«, stöhnte er, »was könnte denn geschehen?«
    »Herzinfarkt.« »Hörst du es, Dulnikker?« sagte Gula. »Hörst du? Wenn du nicht aufpaßt, krepierst du wie ein Hund.«
    »Nur eine radikale Änderung der Gewohnheiten des Herrn Dulnikker kann ihn retten. Wenn er weiterhin die Rolle eines wichtigen Politikers spielt .«
    »Ich bin kein Politiker. Ich bin Staatsmann!«
    »Vom medizinischen Standpunkt aus ist das ein und dasselbe. Mein Herr, Sie müssen sich für lange Zeit aus dem öffentlichen Leben zurückziehen. Sie werden auf alles verzichten müssen, was Sie aufregen könnte. Und dazu gehören auch sämtliche Formen des Vergnügens.«
    »Hörst du, Dulnikker?« keifte Frau Dulnikker. »Also keine Reden mehr!«
    »Die sind im ersten Monat Ihrer Erholung auf jeden Fall absolut verboten«, versicherte der Parteiarzt. »Nachher, wenn wir Anzeichen einer Besserung sehen, werden wir ihm erlauben, einmal in der Woche einen Vortrag zu halten, aber nicht länger als zwanzig bis fünfundzwanzig Minuten, und vor einem so freundlich wie möglich gesinnten Publikum.«
    »Doktor«, kam Dulnikkers heisere Frage, »wie lange muß ich ausfallen?« - »Mindestens drei Monate.«
    Da geschah etwas Erschütterndes: Amitz Dulnikker, das Symbol einer Generation der Eroberung und des Aufbaus, brach in Tränen aus.
    »Schauen Sie, Dulnikker«, beruhigte ihn Zev, und seine Stimme war voll menschlichen Verständnisses, »wir zwei machen auf zwei Monate eine Reise in die Schweiz und bleiben mit dem Parteihauptquartier in ständiger telefonischer Verbindung.«
    »Tut mir leid, aber auch das ist keine Lösung«, lautete die Reaktion des Arztes. »Herr Dulnikker muß alle Brücken hinter sich abbrechen. Er muß sich in irgendeinen einsamen Winkel zurückziehen.« »Aber meine Herren«, sagte Dulnikker mit
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