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Der Blaumilchkanal

Titel: Der Blaumilchkanal
Autoren: Ephraim Kishon
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Zev hatten jedoch die Fahrt schon satt. Chef und Sekretär saßen eng aneinandergequetscht in der Fahrerkabine und streckten ihre starren Glieder von Zeit zu Zeit so gut wie möglich, aber sie erstarrten ja doch wieder.
    Als, die Berge erreicht waren, wurde die Landschaft etwas eintönig, und die Mittagssonne machte die Fahrerkabine unerträglich heiß.
    »Wie lange dauert es noch bis Kimmelquell, mein Freund?« fragte Dulnikker.
    »Mindestens noch zwei Stunden«, erwiderte der Fahrer mit verschlossener Miene. »Nach der Kreuzung biegen wir auf eine ungepflasterte Straße ab.«
    »Warum pflastert man keine Straße zu dem Dorf?« erkundigte sich der Sekretär. Der Fahrer erklärte, das Pflastern stünde kaum dafür, weil er der einzige Mensch sei, der je in das Dorf fuhr.
    »Hören Sie, Dulnikker?« sagte Zev. »Ich habe Ihnen ja gesagt, wir hätten Ihren Wagen nehmen sollen.«
    »Gott behüte«, meinte Dulnikker, »wie hätte ich mein Inkognito wahren können, wenn ich in einem Parteiwagen daherkomme? Ich hoffe«, wandte er sich an den Fahrer, »daß auch Sie, mein Freund, absolut verschwiegen sind!«
    Der Ausdruck des Fahrers wurde etwas feierlich, und er nickte zustimmend. Der Staatsmann entnahm der gelben Aktenmappe einige Zeitungsausschnitte und sah sie flüchtig durch:
    Amitz Dulnikker auf Urlaub Amitz Dulnikker reiste zu einem längeren Genesungsurlaub irgendwo auf dem Land ab. Unser Berichterstatter sprach im Heim Herrn Dulnikkers vor, aber Frau Gula Dulnikker lehnte es ab, den Aufenthaltsort Herrn Dulnikkers bekanntzugeben, und behauptete, sie habe selbst keine Ahnung, wo er eigentlich stecke. Gewisse Quellen verbinden das plötzliche Verschwinden Amitz Dulnikkers mit weitverbreiteten Gerüchten über gewisse internationale Verhandlungen.
    Der Staatsmann freute sich über den Unsinn, den er in den Zeitungen las. Also wußte wirklich niemand, wo er war. Das war genau jene Sorte Rätselhaftigkeit, die das öffentliche Interesse zu wecken pflegt.
    »Mein Freund«, fragte Dulnikker den Fahrer, »wann erreichen die Morgenblätter das Dorf?«
    »Tun sie nicht.«
    »Nein? Ja, wie halten sich denn dann die Dorfbewohner über die Weltereignisse auf dem laufenden?«
    »Halten sich nicht.«
    Schweigen senkte sich über die Reisenden. Der Sekretär starrte den Staatsmann in stummer Anklage an.
    »Wunderbar«, bemerkte Dulnikker schwach. »Das wird eine völlig gesunde Ruhepause; keine Presse, kein Lärm .«
    »Und kein Strom«, fügte der Sekretär hinzu, worauf beide in Schweigen versanken.
    »Das Dorf wird Ihnen gefallen«, tröstete sie der Fahrer. »Sie werden dort anständige, friedliche Juden treffen, die ihr eigenes Leben leben und sich um diese verrückte Welt überhaupt nicht scheren. Weiß Gott, die haben recht! Wer braucht schon den ganzen Wirbel. Ich versorge sie mit allem, was sie brauchen, von Kerosin bis zu Modewaren - wofür sie mit Karawija bezahlen. Sie verlassen ihr Dorf nie. Ihre Ahnen waren arme Holzfäller in den Urwäldern von Rosinesco in Nordungarn, und als die Katastrophe zuschlug, bezahlten sie mit allem, was sie besaßen, einen Agenten, der sie nach Amerika bringen sollte; aber der Agent war aktiver Zionist und brachte sie nach Palästina. Man behauptet, sie hätten jahrelang geglaubt, sie seien in Amerika. Wenn man es sich überlegt, ist es in einem so abgelegenen Dorf wirklich egal, was einer glaubt.«
    Der Fahrer brach in überschäumendes, ohrenbetäubendes Gelächter aus, das Dulnikker sehr bald auf die Nerven ging. Er zog eine Straßenkarte aus der geräumigen Aktenmappe, breitete sie auf den Knien aus und begann, auf ihr begierig ihren Bestimmungsort zu suchen.
    »Meine Herren«, erklärte er nach einer Weile leicht verblüfft, »ich kann hier kein Kimmelquell finden.«
    »Vielleicht hat man es für die Landkarte noch nicht entdeckt«, bemerkte der Fahrer, »weil das Dorf völlig in den Bergen versteckt liegt.«
    »Wie die weißen Flecken auf der Landkarte von Zentralafrika«, sagte der Sekretär und nickte. In diesem Augenblick machte der Lastwagen eine plötzliche Kurve und bog mitten auf die Mauer von Felsblöcken längs der Straßenseite ein.
    »Was ist los?« kreischte Zev verwirrt. »Ich kann nichts sehen!«
    »Ruhe«, sagte der Fahrer und schaltete die Scheinwerfer ein. Der große Lastwagen kroch im Schneckentempo durch einen finsteren Tunnel über einen mit urzeitlichen Felserhebungen versetzten Boden. Von Zeit zu Zeit schaukelte das Fahrerhaus wie ein Ruderboot auf hoher See,
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