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Der Blaumilchkanal

Titel: Der Blaumilchkanal
Autoren: Ephraim Kishon
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Der Schuhflicker hatte wieder einmal eine lobenswerte Initiative gezeigt. Aus Ästen und Faserplatten hatte Gurewitsch einen kleinen Wagen gebaut, vor den er einen weißen Esel spannte. Mit dem fuhr er durch die Straßen, über sich ein großes Schild, und auf dem stand:
    S chaut , O nkel Z emach ist ein lustiger G esell ! F ahrt mit dem kommenden B ürgermeister von K immelquell !
    Die Dorfjugend war hingerissen von diesem Unternehmen, besonders da das Vergnügen für sie kostenlos war. Die Fratzen standen Schlange an der Endstation des Eselkarrens und warteten, bis sie zu einer Runde in dem Karren drankamen. Außerdem sang ihnen der Kutscher - Ingenieur Gurewitsch -während der Fahrt sogar funkelnagelneue Kinderlieder vor (»Wo zum Teufel hat er die gelernt?«) und verteilte eine Menge Kaugummi. Es sickerte sogar durch, daß Mami und Papi ohne ihre Sprößlinge auftauchten und behaupteten, letztere seien >indisponiert<, und verlangten, daß ihnen der Schuhflicker sowohl die Kaugummi als auch >ein, zwei Runden< gewähre.
    »Mein lieber Herr Ingenieur«, bat der Barbier verwirrt, »denken Sie sich etwas genauso Gutes aus - oder ich schwöre, ich ermorde Sie auf der Stelle, Dulnikker!«
    »Habt ihr denn nicht ein eigenes Gefährt, Genossen?«
    »Sie Genie! Wollen Sie, daß ich den hinkenden Schuhflicker nachäffe?«
    »Einen Augenblick, meine Herren!« protestierte der Staatsmann. »Wie kann ich mich konzentrieren, wenn Sie unaufhörlich schwätzen?« Dulnikker leerte ein Glas Wein, und die Räder seines Elektronenhirns begannen knirschend herumzuwirbeln. Etwas später strahlte sein rundes Gesicht auf, und er spuckte heraus:
    »Ich hab’s! Ein Karussell!«
    »Nu, sehn’ Se, es gelingt Ihnen ja, wenn Se’s wirklich versuchen!« jubelte der Barbier und reichte seinem Mentor ein Päckchen Keks. Plötzlich verschwand die Freude aus seinem Gesicht. »Es ist großartig, stimmt, aber ich hab’ kein Geld mehr, Dulnikker. Das Schatzamt des Dorfes ist vollkommen leer, und meine Ersparnisse hab ich für alles mögliche sonst verbraucht.«
    »Mein Beileid, meine Herren«, erwiderte Dulnikker kalt. »Wer keine Mittel hat, ist viel besser dran, er bleibt außerhalb der politischen Arena.«
    Das Karussell wurde doch errichtet, mitten auf der Straße genau gegenüber dem Wirtshaus. Es bestand aus einem einzigen hohen in den Boden gerammten Mast mit fünf(!) rohen Bänkchen, die auf kleinen Holzrädern um den Mast liefen. Ein riesiges, an die Mastspitze genageltes Schild lautete:
    D reht euch sicher rundherum ,
    O nkel S alman bleibt bestimmt B ürgermeister !
    Reimen war nie die starke Seite Dulnikkers. Aber das Herumdrehen war wirklich gesichert, da >Dreitürniks< verwendet wurden, um die mit jubelnden Fratzen beladenen Bänke zu schieben. Der Barbier hatte diese technische Einzelheit durch die üblichen Kanäle - den Gemeindesekretär
    - organisiert, der den zehn >Dreitürniks< (einer starb und wurde bedauernd von Steueraufseher Ofer Kisch begraben) einen offiziellen, schriftlichen Befehl dahingehend übersandte, daß die Adressaten über Dorfratsbeschluß verpflichtet waren, das Karussell zwei Tage lang in der Richtung der Zeiger an der Armbanduhr des Bürgermeisters zu schieben. Dementsprechend wurde die Dorfstraße zum echten Entzücken der örtlichen Jugend zu einer Art Vergnügungspark, obwohl sie häufig mit den Erwachsenen zu ringen hatten, die sich aller Sitze auf den Bänken bemächtigten und trotz der Regenschauer ein fröhliches Wildwestgeheul losließen, um die jeweiligen >Dreitürniks vom Dienst< zu größerer Eile anzuspornen.
    Die gute Laune der Bürger führte zu einer Erhöhung der Nachfrage nach starkem Schnaps, und seltsamerweise kaufte auch der Barbier einige Flaschen Wein. Elifas Hermanowitsch war jedoch mit dem Ansteigen seines Geschäfts nicht zufrieden. Das nerventötende Kreischen des Karussells drang ihm wie Dolche in die Ohren, bis der Wirt eines Tages zur Gartentür vor seinem weißen Haus hinaustrat und die fröhlich Tobenden anschrie:
    »Das macht euch Freude, was? Ein Zirkus! Aber ich werde euch kein Karussell bauen, ich werde keine Eselskutsche bauen. Von mir bekommt ihr keinen einzigen Heller, um mich in den Dorfrat zu wählen!«
    »Ei, nett«, erwiderten die Leute. »Was also wollen Sie eigentlich von uns?«
    Sie überließen den Wirt seiner Trübsal und strebten dem anderen Ende des Dorfes zu, um zu sehen, welche Fortschritte das Brunnenbohren machte. Das war eine weitere >glänzende Idee von
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