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Eine Unheilvolle Liebe

Eine Unheilvolle Liebe

Titel: Eine Unheilvolle Liebe
Autoren: Kami Garcia
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Das Caster-Mädchen

Davor
    Für mich war unsere Stadt, die versteckt im hintersten Winkel von South Carolina lag, eingezwängt in das feucht-schlammige Tal des Santee River, das Ende der Welt. Es war ein Ort, an dem nie etwas geschah und an dem sich niemals etwas änderte. So wie schon gestern würde auch morgen die erbarmungslose Sonne aufgehen und über der Stadt stehen, ohne dass sich ein Lüftchen regte. Und auch morgen würden die Menschen hier wieder auf der Veranda in ihren Schaukelstühlen sitzen, wie sie es schon seit hundert Jahren und länger taten, und die Hitze und der Klatsch und die unendliche Vertrautheit würden miteinander verschmelzen wie die Eiswürfel in ihrem süßen Tee. Hier bei uns war Tradition so selbstverständlich, dass man gar nicht genau sagen konnte, wo sie anfing und wo sie aufhörte. Tradition war verwoben mit allem, was wir taten, und noch mehr mit dem, was wir nicht taten. Egal ob man auf die Welt kam, heiratete oder begraben wurde – immer sangen die Methodisten.
    Sonntags ging man in die Kirche, montags fuhr man zum Einkaufen in den Stop & Shop, auch Stop & Steal genannt, den einzigen Lebensmittelladen der Stadt. Der Rest der Woche war für jede Menge Nichtigkeiten reserviert und für eine Extraportion Kuchen, wenn man das Glück hatte, eine Haushälterin wie Amma zu haben, die jedes Jahr den Backwettbewerb auf dem Jahrmarkt gewann. Die alte Miss Monroe, die nur vier Finger an einer Hand hatte, bereitete die Mädchen immer noch auf den Debütantinnenball vor, wobei der eine leere Finger ihrer weißen Handschuhe im Takt schlenkerte, wenn sie mit den jungen Damen majestätisch über den Tanzboden schritt. Im Snip & Curl schnitt Maybelline Sutter immer noch Haare, obwohl sie mit siebzig Jahren beinahe völlig blind geworden war und inzwischen bei fast jedem zweiten Schnitt den Kammaufsatz auf dem Haarschneider vergaß und kahle Streifen in den Hinterkopf rasierte, sodass man aussah wie ein Stinktier. Ebenso konnte man sich darauf verlassen, dass Carlton Eaton, komme was da wolle, die Briefe öffnete und durchlas, bevor er sie zustellte. Wenn es schlechte Nachrichten waren, dann überbrachte er sie höchstpersönlich. Es war besser, sie von jemandem zu hören, den man kennt.
    Diese Stadt nahm ihre Bewohner in Besitz, das war das Schöne und das Schlimme an ihr. Sie kannte uns in- und auswendig, sie kannte jeden Fehltritt, jedes Geheimnis, jeden Kratzer. Das war auch der Grund, weshalb die meisten Leute gar nicht von hier wegwollten und weshalb diejenigen, die weggegangen waren, nie wieder zurückkehrten. Bevor ich Lena kennenlernte, wollte ich zu Letzteren gehören; ich wollte weg von hier, keine fünf Minuten nachdem ich die Jackson Highschool beendet hätte. Einfach nur weg.
    Dann verliebte ich mich in ein Caster-Mädchen.
    Und dieses Mädchen zeigte mir die andere Welt, die zwischen den Ritzen unserer holprigen Gehwege verborgen war. Eine Welt, die schon immer da gewesen war, die unsichtbar sichtbar vor aller Augen lag. Lenas Gatlin war ein Ort, an dem etwas geschah – Unmögliches, Übernatürliches. In ihrem Gatlin ereigneten sich Dinge, die das Leben veränderten.
    Manchmal beendeten sie es auch.
    Während die normalen Bewohner Gatlins ihre Rosenbüsche zurückschnitten oder sich die guten zwischen den wurmigen Pfirsichen beim Obststand an der Straße aussuchten, waren Lichte und Dunkle Caster mit ihren einzigartigen, mächtigen Gaben in einen ewigen Kampf verstrickt – in einen übernatürlichen Bürgerkrieg, bei dem keine Seite jemals die weiße Flagge hisste. Lenas Gatlin war eine Stadt der Dämonen und Gefahren und schon seit über hundert Jahren lastete ein Fluch auf ihrer Familie. Je vertrauter ich mit Lena wurde, desto vertrauter wurde ich auch mit ihrem Gatlin.
    Noch vor ein paar Monaten hätte ich felsenfest geschworen, in dieser Stadt würde sich nie etwas ändern. Jetzt wusste ich es besser, und ich wünschte, ich hätte damals recht behalten.
    Denn seit ich mich in das Caster-Mädchen verliebt hatte, waren alle Menschen, die mir etwas bedeuteten, in Gefahr. Lena dachte, sie sei die Einzige, auf der ein Fluch lag, aber da irrte sie sich.
    Ihr Fluch war jetzt unser Fluch.

Immerwährender Frieden

15.2.
    Da war der Regen, der von Ammas schwarzem Sonntagshut tropfte. Da war Lena, die mit bloßen Beinen in dem zähen Schlamm vor dem Grab kniete. Und da war dieses unangenehme Kribbeln in meinem Nacken, weil viel zu viele Geschöpfe um mich herumstanden, die wie
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