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Eine Unheilvolle Liebe

Eine Unheilvolle Liebe

Titel: Eine Unheilvolle Liebe
Autoren: Kami Garcia
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in die Gesichter vor dir, hörst das mitleidige Murmeln, aber du verstehst nicht, was sie sagen. Der Schrei in deinem Kopf übertönt alles. Also lässt du es über dich ergehen, wenn sie dir die Hand auf den Arm legen, du steigst ins Auto und alles geht seinen Lauf. Denn du schaffst es, wenn dir jemand sagt, dass du es schaffst .
    Ich stützte den Kopf in die Hände.
    Ethan …
    Ich sage, dass du es schaffst, L .
    Ich rieb mir über die Augen; sie waren nass. Rasch knipste ich das Licht an und starrte, ohne zu blinzeln, so lange in die nackte Glühbirne, bis die Tränen getrocknet waren.
    Ethan, ich habe Angst .
    Ich bin hier. Ich gehe nicht weg .
    Schweigend versuchte ich, meine Krawatte zu binden, aber ich spürte Lenas Gegenwart, als säße sie in einer Ecke meines Zimmers. Seit mein Vater nicht mehr hier war, kam mir das Haus leer vor.
    Ich hörte Amma im Flur, und schon stand sie wortlos in der Tür, ihr Feiertagstäschchen in der Hand. Sie sah mich aus ihren dunklen Augen an. Die zierliche Person kam mir richtig groß vor, auch wenn sie mir nicht mal bis an die Schulter reichte. Sie war für mich die Großmutter, die ich nie gehabt hatte, und die Mutter, die ich verloren hatte.
    Mein Blick glitt zu dem leeren Stuhl neben dem Fenster, über den sie meinen Sonntagsanzug gelegt hatte, so wie vor einem knappen Jahr schon einmal, dann starrte ich wieder in die nackte Glühbirne.
    Amma streckte die Hand aus und ich reichte ihr die Krawatte. Vielleicht war Lena nicht die Einzige, die meine Gedanken lesen konnte.
    Ich bot Amma meinen Arm, als wir den Hügel zum Garten des Immerwährenden Friedens hinaufstiegen. Der Himmel war düster, und der Regen setzte ein, ehe wir auf der Anhöhe angelangt waren. Amma trug ihr bestes dunkles Kostüm. Der ausladende Hut schützte sie vor dem Regen, nur der üppige weiße Spitzenkragen wurde an den Rändern nass. Sie hatte ihn mit ihrer besten Brosche am Kleid festgesteckt – ein Zeichen der Ehrerbietung. Das alles hatte ich schon im vergangenen April gesehen, ebenso wie ich ihre besten Handschuhe auf meinem Arm gespürt hatte, als sie mich stützte, während wir damals den Hügel erklommen. Diesmal wusste ich nicht, wer wen stützte.
    Ich begriff nicht ganz, weshalb Macon ausgerechnet auf dem Friedhof von Gatlin beerdigt werden wollte, schon gar nicht, wenn man bedachte, wie sich die Leute hier ihm gegenüber verhalten hatten. Glaubte man Gramma, Lenas Großmutter, dann hatte Macon unmissverständlich angeordnet, hier begraben zu werden. Er selbst hatte die Grabstätte vor Jahren gekauft. Lenas Familie war darüber wohl nicht sonderlich glücklich gewesen, aber Gramma hatte Macons Willen durchgesetzt. Sie würden seinen Wunsch respektieren, wie es in jeder anständigen Familie im Süden üblich war.
    Lena? Ich bin hier .
    Ich weiß .
    Ich merkte, wie meine Stimme sie beruhigte, so als hätte ich meinen Arm um sie gelegt. Mein Blick glitt zu dem Baldachin, unter dem die Beisetzungsfeierlichkeiten abgehalten wurden. Es sah aus wie bei jeder anderen Beerdigung in Gatlin auch, was irgendwie verrückt war, denn schließlich ging es um Macon, den alten Ravenwood.
    Es war noch nicht richtig hell, trotzdem konnte ich in der Ferne bereits Konturen ausmachen. Windschief, keine war wie die andere. Da waren die alten, krummen Reihen der kleinen Grabsteine auf den Kindergräbern, die überwucherten Familiengrabmäler, die verwitterten weißen Obelisken mit den kleinen Messingkreuzen, die an die Gefallenen der Konföderierten Armee erinnerten. Sogar General Jubal A. Early, dessen Standbild über das General’s Green in der Stadtmitte wachte, lag hier begraben.
    Wir gingen um das Familiengrab einiger nicht ganz so berühmter Gatliner herum. Sie lagen hier schon so lange, dass sich der geschmeidige Stamm einer Magnolie um den größten Grabstein gewunden und ihn völlig überwuchert hatte.
    Ja, und geheiligt waren sie. Alle waren sie geheiligt, woraus man ersehen konnte, dass wir den ältesten Teil des Friedhofs erreicht hatten. Geheiligt  – so lautete das erste Wort auf jedem alten Grabstein in Gatlin, das wusste ich von meiner Mutter. Als wir näher kamen und sich meine Augen an die Dunkelheit gewöhnt hatten, sah ich, wohin der schlammige Kiesweg führte. Ich dachte sofort an die steinerne Friedhofsbank auf dem grasbewachsenen, von Magnolien umsäumten kleinen Hügel. Und ich erinnerte mich daran, wie mein Vater auf dieser Bank gesessen und nicht in der Lage gewesen war, sich zu rühren
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