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Eine Unheilvolle Liebe

Eine Unheilvolle Liebe

Titel: Eine Unheilvolle Liebe
Autoren: Kami Garcia
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Tor von Macons Grabstätte fiel krachend zu, ohne dass jemand es auch nur berührt hätte. Lena war noch nicht so weit und bis dahin würde niemand die Grabstätte verlassen.
    Lena?
    Mit einem Mal begann es wieder zu regnen. Wie immer gehorchte ihr das Wetter, ihr, der Naturgeborenen, ausgestattet mit den machtvollsten Gaben in der Welt der Caster.
    Lena erhob sich.
    Lena! Damit wirst du auch nichts ändern!
    Plötzlich flogen Hunderte weißer Nelken, Plastikblumen, Palmwedel und Fähnchen durch die Luft, die die Friedhofsbesucher in den vergangenen Wochen auf den Gräbern niedergelegt hatten, alles flirrte durcheinander und wirbelte den Hügel hinunter. Und noch in fünfzig Jahren würde man in Gatlin von dem Tag sprechen, an dem der Wind fast alle Magnolien im Garten des Immerwährenden Friedens entwurzelt hatte.
    Der Windstoß kam schnell und mit solcher Wucht, er war wie ein Schlag ins Gesicht. Er blies so stark, dass wir ins Taumeln gerieten und uns kaum auf den Beinen halten konnten. Nur Lena stand aufrecht und hielt sich am Grabstein fest. Der strenge Haarknoten hatte sich gelöst, einige Strähnen wehten im Wind. Sie war nicht mehr düster und matt. Im Gegenteil – sie war der Lichtpunkt inmitten des Sturms. Der goldgelbe Blitz, der den Himmel zerriss, schien direkt aus ihr zu entspringen. Boo Radley, Macons Hund, der zu Lenas Füßen hockte, winselte und legte die Ohren an.
    Das hätte er nicht gewollt, L .
    Lena schlug die Hände vors Gesicht. Eine Bö riss den Baldachin aus seiner Verankerung in dem nassen Boden und trieb ihn den Hügel hinab.
    Gramma trat vor Lena hin, schloss die Augen und legte ihrer Enkeltochter einen Finger auf die Wange. Im Augenblick der Berührung endete der Sturm. Gramma, die Empathin, hatte Lenas Kräfte für eine Zeit lang zu ihren eigenen gemacht. Aber gegen Lenas Wut war auch sie machtlos. Keiner von uns konnte sich Lena entgegenstellen.
    Der Wind legte sich und der Regen ging in ein leichtes Nieseln über. Gramma nahm ihren Finger von Lenas Wange und öffnete die Augen.
    Der Sukkubus, der jetzt ziemlich zerzaust aussah, starrte zum Himmel hinauf. »Die Sonne geht bald auf.«
    Es stimmte. Die Sonne trat soeben ihren Weg durch die Wolken und über den Horizont an, sie sandte die ersten Fünkchen von Licht und Leben über die verwitterten Grabsteine.
    Mehr musste die Frau nicht sagen. Ein saugendes Geräusch war zu hören. Ihre Gefährten entmaterialisierten sich, und das hörte sich an, als ob sie die Luft zerfetzten, bevor sie sich dann in Nichts auflösten.
    Ich wollte auf Lena zugehen, aber Amma hielt mich zurück.
    »Was ist?«, fragte ich ungeduldig. »Sie sind doch weg.«
    »Nicht alle. Sieh doch …«
    Sie hatte recht. Am Rand der Grabstätte stand noch einer, er hatte sich an einen verwitterten Stein gelehnt, den ein trauernder Engel schmückte. Er schien etwas älter zu sein als ich, vielleicht neunzehn, hatte kurze schwarze Haare und war so bleich wie alle anderen seiner Art. Aber im Gegensatz zu ihnen war er nicht vor Sonnenaufgang verschwunden. Während ich ihn misstrauisch musterte, trat er aus dem Schatten des Steins direkt in das helle Morgenlicht. Mit geschlossenen Augen hielt er das Gesicht der Sonne entgegen, als scheine sie nur für ihn.
    Amma musste sich irren. Er konnte unmöglich zu den anderen gehören. Er badete geradezu im Sonnenschein – undenkbar für einen Inkubus.
    Aber was war er dann? Was tat er hier?
    Er kam näher und sah mich an, als hätte er genau gespürt, dass ich ihn beobachtete. Jetzt fielen mir seine Augen auf. Er hatte nicht die schwarzen Augen eines Inkubus.
    Seine Augen waren grün wie die eines Casters.
    Er blieb vor Lena stehen, steckte die Hände in die Taschen und nickte ihr leicht zu. Es war keine Verbeugung, eher eine ungeschickte Ehrbezeugung, die dadurch umso glaubwürdiger wirkte. Er hatte den unsichtbaren Mittelgang überquert und mit dieser Geste wahrhaft südstaatlicher Noblesse hätte er auch Macon Ravenwoods Sohn höchstpersönlich sein können. Und deswegen hasste ich ihn.
    »Mein Beileid.«
    Er öffnete Lenas Hand und legte einen kleinen silbernen Gegenstand hinein. Es war eines der Dinger, die alle auf Macons Sarg geworfen hatten. Lenas Finger schlossen sich sofort darum. Dann war das unverkennbare reißende Zischen zu hören und schon war der Fremde verschwunden.
    Ethan?
    Ich spürte, wie Lena unter der Last der Geschehnisse dieses Morgens zu schwanken begann. Der Verlust ihres Onkels, der Sturm, das Aufreißen
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