Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Eine Unheilvolle Liebe

Eine Unheilvolle Liebe

Titel: Eine Unheilvolle Liebe
Autoren: Kami Garcia
Vom Netzwerk:
Therapie dazu.
    »Das ist ja toll.«
    Toll . Ich konnte es mir nur schwer vorstellen, dass mein Vater wieder nach Gatlin zurückkam und womöglich in seinem Entenschlafanzug durch die Stadt lief. Es gab schon genügend Verrücktes zwischen Amma und mir, das in den Sahne-Kummer-Torten steckte, die ich beinahe jeden Abend bei den Methodisten ablieferte. Ich kannte mich nicht gut aus mit Gefühlen, aber Ammas Gefühle waren alle in Kuchenteig eingeknetet und sie teilte sie mit niemandem. Sie verschenkte den Kuchen lieber.
    Am Tag nach der Beerdigung wollte ich mit ihr darüber reden, aber sie hatte das Gespräch beendet, noch ehe es richtig begonnen hatte. »Vorbei ist vorbei und fort ist fort. Dort wo Macon Ravenwood jetzt ist, werden wir ihn wahrscheinlich nie wieder sehen, nicht in dieser Welt und nicht in der anderen.« Sie klang, als hätte sie sich damit abgefunden, aber zwei Monate später fuhr ich immer noch Kuchen und Aufläufe aus. In ein und derselben Nacht hatte Amma die beiden einzigen Männer verloren, die in ihrem Leben eine Rolle gespielt hatten – meinen Vater und Macon. Mein Vater war zwar nicht gestorben, aber dieser Unterschied spielte in unserer Küche keine Rolle. Wie Amma schon sagte: Fort ist fort.
    »Ich backe Waffeln. Ich hoffe, du hast Hunger.«
    Das war vermutlich alles, was ich an diesem Morgen von ihr zu hören bekommen würde. Ich nahm die Schokoladenmilch und goss mein Glas aus Gewohnheit randvoll. Amma schimpfte meistens, wenn ich zum Frühstück Schokomilch trank. Aber jetzt stellte sie wortlos ein Riesenstück Schokokuchen vor mich hin, woraufhin ich mich gleich noch schlechter fühlte. Und noch etwas warf ein bezeichnendes Licht auf Ammas Verfassung: Das Kreuzworträtsel in der Sonntagsausgabe der New York Times war nicht aufgeschlagen und ihre schwarzen, extra gespitzten Bleistifte der Härte 2 lagen in der Schublade. Amma starrte zum Küchenfenster hinaus auf die dichten Wolken am Himmel.
    L.A.K.O.N.I.S.C.H. – neun waagrecht. Das hätte an jedem anderen Tag geheißen: Wenn ich nichts sagen will, dann sag ich nichts, Ethan Wate. Amma hatte Kreuzworträtsel-Begriffe für jede Gelegenheit parat, je länger, desto besser, und liebte es, sie anzuwenden.
    Ich trank einen Schluck – und beinahe hätte sich mir der Magen umgedreht. Die Milch war zu süß und Amma war zu still. Daran merkte ich, wie sehr sich alles verändert hatte.
    Daran, und an den angebrannten Waffeln, die im Waffeleisen vor sich hinschmorten.
    Ich hätte eigentlich zur Schule fahren müssen, aber stattdessen bog ich auf die Route 9 ein und fuhr nach Ravenwood. Seit ihrem Geburtstag war Lena nicht mehr in der Schule gewesen. Nach Macons Tod hatte ihr Direktor Harper gnädigerweise erlaubt, mit einem Tutor zu Hause zu arbeiten, bis sie wieder imstande war, die Jackson High zu besuchen. Wenn man bedenkt, wie er Mrs Lincolns Kreuzzug gegen Lena unterstützt hatte und Lena nach dem Winterball am liebsten von der Schule geworfen hätte, bin ich sicher, dass er hoffte, dies würde bis in alle Ewigkeit nicht passieren.
    Ich gebe zu, ich beneidete Lena ein bisschen. Sie musste sich nicht mehr anhören, wie Mr Lee über den Angriffskrieg der Nordstaaten und die missliche Lage der Konföderierten schwadronierte, oder sich in Englisch auf die Seite setzen, auf der unsere Lehrerin gut sah. Jetzt waren Abby Porter und ich die Einzigen auf dieser Seite und deshalb mussten wir sämtliche Fragen zu Dr. Jekyll und Mr Hyde beantworten. Was veranlasste Dr. Jekyll, sich in Mr Hyde zu verwandeln? Waren die beiden wirklich zwei verschiedene Persönlichkeiten? Keiner in der Klasse hatte die leiseste Ahnung, deshalb dösten auch alle, die auf der Seite saßen, auf der Mrs English ein Glasauge hatte.
    Ohne Lena war die Jackson High nicht mehr dieselbe, jedenfalls nicht für mich. Nach zwei Monaten flehte ich sie an, wiederzukommen. Als sie mir gestern versprochen hatte, sie würde es sich durch den Kopf gehen lassen, hatte ich ihr erklärt, das könnte sie auch auf dem Weg zur Schule tun.
    Jetzt stand ich wieder an der Straßengabelung. Es war die Straße, auf der Lena und ich immer gefahren waren. Die Straße, die ich in der Nacht, in der wir uns zum ersten Mal begegneten, von der Route 9 nach Ravenwood gefahren war. Damals als ich herausfand, dass sie diejenige war, von der ich geträumt hatte, lange bevor sie nach Gatlin gezogen war.
    Kaum sah ich die Straße vor mir, hörte ich auch schon den Song. Er erklang so selbstverständlich in
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher