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Das Lied des Todes

Das Lied des Todes

Titel: Das Lied des Todes
Autoren: Axel S. Meyer
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verwirren, Gewaltiges komme.
    Es bersten Klippen, die Welt erbebe,
    schlecht werde der Wind, Gewaltiges komme!
     
    Wir werden dir die Brust zerbrechen,
    dass giftige Nattern dein Herz zernagen,
    dass deine Ohren für immer ertauben
    und deine Augen aus deinem Schädel springen!
     
    Seine Lider schlossen sich, und die Schmerzen kamen. Brennende, heiße Schmerzen. Flüssiges Eisen, das durch seine blutleeren Adern schoss und durch sein zerhacktes Fleisch pulsierte und über seine geborstenen Knochen fuhr.
    Die Glut, das Feuer. Die Hölle. Auf ewig.
    Fahr hin zur Hel,
    von Hunden zerfleischt.
    Deine Seele versinke in Qualen.

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    Epilog
    Malina erwachte. Sie glaubte, eine Tür zu hören, und öffnete die Augen. Um sie herum war Dunkelheit. Nur durch einen Spalt unterhalb des Fensterladens sickerte ein zarter Lichtschimmer in die Zelle, die man ihr und Hakon überlassen hatte. Der König selbst hatte dafür gesorgt, dass sie im Gästehaus der Pfalanza so lange versorgt wurden, bis ihre Wunden verheilt seien.
    Als Malina sich in dem weichen, mit Stroh gepolstertem Bett zum Raum drehte, spürte sie kurz die Schmerzen aufflackern. Zum Glück waren keine Knochen gebrochen. Auch die Schwellungen auf ihrem Gesicht und ihrem Oberkörper waren deutlich kleiner geworden. Anders als Hakon würde sie keine bleibenden Schäden davontragen.
    Nachdem er an jenem Tag vor etwa zwei Wochen in der Kirche verschwunden war, hatten die Soldaten von ihr abgelassen. Sie glaubten, Malina sei lebend von größerem Nutzen, da sie offensichtlich den verrückten Mauerkletterer kannte.
    Hakon hatte es schlimmer erwischt, er hatte einen Finger verloren. Aber – so hatte er gesagt – das sei ein gerechter Preis.
    Malina lauschte mit einem Lächeln auf den Lippen in die Dunkelheit.
    «Hakon?», fragte sie.
    Keine Reaktion. Ob er noch schlief? Sie hörte nichts, auch nicht seine Atemzüge.
    «Hakon?»
    Sie richtete sich auf, stellte die nackten Füße auf den kalten Boden und tastete sich zu seinem Bett vor.
    Es war leer.
    Ein eisiger Schauer kroch über ihren Rücken. Sie tapste zur hinteren Wand, öffnete den Fensterladen und sah die vielen Menschen auf dem Hof, die Karren, Packwagen und Pferde beluden. Malina drehte sich um, und ihr Verdacht wurde Gewissheit. Schreckliche Gewissheit.
    Seine Sachen waren verschwunden – die dunklen Kleider und das Schwert, das der Mönch und die Zwillinge für ihn aus dem Wald geborgen hatten.
    Malina zog sich an, hastete aus dem Gästehaus und warf sich ins Getümmel. Heute war der Tag des großen Aufbruchs für das königliche Heer.
    Malina rief Hakons Namen in die Menge. Panik ergriff sie. Warum hatte er ihr das angetan?
    «Malina!», rief eine Stimme hinter ihr.
    Sie wirbelte herum und sah den Mönch und die Zwillinge, die ganz in der Nähe ihre wenigen Habseligkeiten auf einem Pferd verschnürten. In den vergangenen Tagen waren sie häufig in die Zelle gekommen und hatten mit Malina und Hakon gesprochen. Sie waren gute Menschen.
    «Wo ist er?», fragte sie, als sie bei ihnen war.
    «Hakon?», erwiderte Asny.
    Malina nickte. Die anderen schauten sie ratlos an. Malina schossen Tränen in die Augen.
    Sie spürte Ketils schwere Hand auf ihrer Schulter.
    «Er ist kein Mann vieler Worte», sagte er. «Vielleicht wusste er nicht, wie er es dir sagen soll. Komm mit uns.»
    «Wir reisen nach Osten», sagte Aki. «Wir begleiten Erzbischof Brun, der den neuen König zur Magathaburg bringt. Dort soll der Knabe ins Kloster gehen, bis sein Vater aus der Lombardei zurückkehrt. Du kannst bei uns bleiben, Malina. Aber von dort aus ist es auch nicht mehr weit bis in deine Heimat.»
    Heimat? Malina schüttelte den Kopf. Sie hatte keine Heimat mehr. Hatte niemals eine gehabt. Und der Mann, der ihr das längst vergessene Gefühl von Geborgenheit wiedergegeben hatte, war verschwunden. Verschwunden wie ein Dieb.
    Ein heiseres Krächzen ließ sie zusammenfahren. Sie drehte den Kopf und sah den Raben auf dem Dach des Gästehauses sitzen.
    «Dann muss auch er noch hier sein», stellte Aki fest, der den Raben ebenfalls gesehen hatte.
    Der Vogel breitete seine Flügel aus, hob ab und flog über den Hof in Richtung des großen Tores davon.
    «Lauf, Malina», rief Asny.
    Sie wischte sich über die Augen. Dann lächelte sie und lief.

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    Nachwort
    Das Lied des Todes
ist eine fiktive Geschichte, die sich an historischen Begebenheiten orientiert. Zwei dieser Ereignisse markieren den Anfang
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