Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Lied des Todes

Das Lied des Todes

Titel: Das Lied des Todes
Autoren: Axel S. Meyer
Vom Netzwerk:
Dutzende getötet. Aber dann war es Konrads Männern gelungen, die Feinde zurückzudrängen und zu vertreiben. Somit hatten die verbündeten Franken dem König eine große Sorge genommen: dass die Magyaren sein Heer in die Zange nehmen könnten.
    Für diese Tat versprach der König Konrad eine angemessene Belohnung. Der winkte jedoch ab. Fürs Erste würde er sich mit einem Schluck Wasser begnügen. Von allen Seiten reichte man ihm Trinkschläuche. Konrad nahm den Helm ab, setzte einen Schlauch an die Lippen und trank gierig.
    Da griff erneut ein Trupp an. An die hundert Jobbágy kamen dieses Mal bis dicht vor den Hügel, auf dem das Banner des heiligen Michael wehte.
    Schnell hoben Thankmar, der König und alle anderen Männer ihre Schilde. Unter seinem Schild konnte Thankmar sehen, wie sich die Pfeile der Ungarn in die Luft erhoben, wie sie stiegen und stiegen. Wie sie sich auf dem Höhepunkt ihrer Flugbahn wieder senkten – um dann wie giftige Stacheln riesiger Insekten auf das königliche Heer niederzuprasseln.
    Als die Feinde wieder abdrehten, hörte Thankmar einen gellenden Schrei. Er drehte den Kopf und sah den König zu Boden starren. Vor ihm wälzte sich ein Mann vor Schmerzen im Dreck. Es war Konrad. Ein Pfeil hatte sich durch den Trinkschlauch in den Hals des Franken gebohrt. Priester und heilkundige Mönche eilten herbei, doch Konrad starb unter ihren Händen.
    Die Heerführer beknieten Otto, endlich mit einem Gegenangriff zu antworten. Man könne nicht warten, bis einer nach dem anderen von einem Pfeil getroffen würde. Die Furcht unter den Männern wuchs mit jedem Augenblick.
    Doch Otto unternahm nichts. Seine Miene war wie aus Stein gemeißelt, als er sich von Konrads Leiche abwandte und den Blick wieder auf die Ebene richtete. Tatsächlich bereiteten dort die Ungarn ihre nächste Attacke vor. Weitere Jobbágy schlossen sich den Männern an, die die ersten Angriffe unternommen hatten, und nun näherten sich an die tausend Reiterkrieger der Frontlinie des königlichen Heeres.
    Hinter den Reihen liefen Priester schreiend hin und her. Lamentierend baten sie um göttlichen Beistand und beteten um Wunder, die den König und die Seinen vor den wilden Horden beschützen mochten.
    Otto zögerte noch immer.
    Da brauste eine Böe über die Ebene und die Hügel hinauf. Die Banner knatterten im Wind. Vom Lech her verdunkelte sich der Himmel. Wie gewaltige Fäuste ballten sich graue Wolken. Pferde wieherten; sie spürten das nahende Gewitter.
    Als triebe der aufkommende Sturm sie an, ritten die Ungarn immer schneller. In wenigen Augenblicken würden sie bis auf Schussweite herangekommen sein – und dieses Mal würde nicht nur ein Mann sterben.
    Thankmar spürte einen feinen Regentropfen auf der Nase. Dann sah er die Regenwand, die die Ebene wie einen Schleier verhüllte, und das Gewitter brach los. Erbsengroße Tropfen prasselten auf die Rüstungen der Soldaten. Ungeduldig warteten sie auf die Befehle ihres Königs, und der hatte endlich ein Einsehen.
    Es war so weit.
    Otto ließ sich sein Pferd bringen, saß auf und trieb es vor die Linie seiner Soldaten. Der König brüllte gegen Wind und Regen an.
    «Die Feinde mögen uns an Menge übertreffen, aber nicht an Tapferkeit und Rüstung! Und sie können nicht auf den Schutz unseres Gottes vertrauen. Hört mich an! Sachsen, Bayern, Franken, Schwaben und Böhmen! Was auch immer nun geschehen wird: Lieber wollen wir im Kampf ruhmvoll sterben, wenn unser Ende bevorsteht! Wir werden uns nicht der Knechtschaft der Ungarn unterwerfen!»
    Eine Welle des Jubels rollte über die Menge und breitete sich bis in die entferntesten Reihen aus. Zehntausend Männer reckten die Waffen.
    Unterdessen sausten Pfeile auf das Heer herab.
    «Jetzt lasst uns mit Schwertern statt mit Worten die Verhandlungen beginnen!», rief Otto.
    In dem Moment, als er die Lanze zum Himmel stieß, bohrte sich ein Sonnenstrahl wie ein glühendes Schwert durch einen Riss in der dunklen Wolkendecke und ließ die goldene Spitze aufleuchten.
    «Otto! Pater patriae! Vater des Vaterlands!», erklang es aus Tausenden Kehlen.
    Dann schlug das Heer des Königs mit der Wucht einer göttlichen Faust zurück. Große Teile des Heeres fluteten von den Hügeln hinunter in die Ebene, den Feinden entgegen.
    Thankmar blieb zurück, wie es sein Plan vorsah. Er beobachtete, wie Otto vom Pferd absaß. Die Zügel gab er einem Mann seiner Leibgarde und ging dann zu einem Zelt, das man auf dem höchsten Punkt des Hügels
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher