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Das Lied des Todes

Das Lied des Todes

Titel: Das Lied des Todes
Autoren: Axel S. Meyer
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Bischof», unterbrach ihn der Graf. Er legte ihm seine linke Hand auf den Arm. «Wir haben viel Zeit, die ganze Nacht.»
    Wieder an Erling gewandt, sagte er: «Wollt ihr die Dreschflegel nicht zur Seite legen, Bauer? Für heute habt ihr genug gearbeitet. Außerdem könnte man annehmen, ihr wolltet diese Geräte gegen uns richten.»
    Erling stöhnte innerlich auf. Um ihn nicht noch mehr gegen sich aufzubringen, ließ er jedoch schnell die Flegel von Finn einsammeln und zur Scheune bringen.
    Währenddessen stiegen die Besucher von ihren Pferden ab.
    Erling wich einen Schritt zurück. «Wir haben die Abgaben für dieses Jahr bereits entrichtet, Herr», sagte er in einem letzten Anflug von Widerstand.
    «Ach ja?», meinte der Graf. «Das hast du also getan! Also, Herr Bischof, ich muss schon sagen – der Erling ist nicht nur ein kluger Mann, sondern auch einer, der weiß, welche Pflichten er zu erfüllen hat.»
    Poppo verzog das Gesicht. «Lasst uns endlich mit der Befragung beginnen.»
    «Du musst entschuldigen, Erling», sagte der Graf ungerührt. «Der Bischof scheint ein wenig ungeduldig zu sein. So wird man wohl, wenn man gezwungen ist, länger in diesem Land zu verweilen. Nichts für ungut, Herr Bischof, aber alles zu seiner Zeit. Nun wird sich unser Freund erst einmal um unsere Pferde kümmern, nicht wahr, Erling? Auch hast du bestimmt nichts dagegen, wenn dein Herr es sich in deinem Haus gemütlich macht. Nach dem Ritt sind wir hungrig und durstig.»
    Mit diesen Worten ließ er Erling stehen und ging gemeinsam mit dem Bischof und den Soldaten zum Haus weiter. Eine Böe fuhr über den Hof und ließ die roten Mäntel aufwallen.
    Blutmäntel!
    Erling hatte gehört, dass man die Krieger so nannte.
    Er sah, wie der Graf das Haus erreichte und mit der Faust gegen die Tür hämmerte. Ihm wurde nicht geöffnet.
    Finn war inzwischen von der Scheune zurückgekehrt. «Vielleicht wollen der Graf und seine Männer ja wirklich nur etwas essen und trinken», flüsterte er Erling zu.
    «Vielleicht», erwiderte der matt.
    Er legte die Hände um den Mund und rief seiner Frau im Haus zu, sie solle dem Besuch die Tür öffnen.
    Was bleibt mir anderes übrig?, dachte er resignierend.
    Der Riegel wurde zur Seite geschoben, und der Graf und die anderen drängten ins Innere des Hauses.
    Erling schickte Finn und die Sklaven mit den Pferden zur Scheune, wo sie die Tiere mit Heu und Wasser versorgen sollten. Er selbst blieb zurück und wandte sich zum Tor. Dahinter begann der Weg, auf dem man den Hof verlassen konnte.
    Um wenigstens das eigene Leben zu retten.

3.
    Thankmar sonnte sich in der Furcht, die sich auf den Bauerngesichtern widerspiegelte. Sie glotzten ihn an wie schlachtreife Schafe.
    Das ganze Gesindel war im Wohnbereich des Langhauses zusammengetrieben worden. Alles in allem waren es neun Menschen, eine ganz normale Bauerngesellschaft also, von denen es Hunderte in der Mark gab. Da waren Erling und sein Weib, das zwei kleine Kinder an ihren Busen drückte, dann noch ein Knecht, zwei Mägde und zwei Sklaven. Sie hockten starr vor Angst um eine Feuerstelle. Über den Flammen hing ein Kessel, der mit einer langen Kette an einem der Dachbalken befestigt war.
    Erlings Haus war nur mit dem Nötigsten ausgestattet. Es gab einen kuppelförmigen Ofen zum Brotbacken und zwei Webstühle. Die Betten waren im abgetrennten mittleren Bereich eingerichtet, dahinter die Ställe für Ziegen, Schweine und den Ochsen. Ganz hinten befand sich auch die Vorratskammer, die Thankmars Männer gleich entdeckt und ausgeräumt hatten.
    Sie waren zu sechst unterwegs: Thankmar, der Bischof und die vier Soldaten, die der Graf aus seiner Haustruppe für diese Mission ausgewählt hatte – und sie alle waren sehr hungrig. Es hatte nicht lange gedauert, bis ein Teil der Vorräte an Räucherwürsten, Trockenfisch und Brot verspeist war. Das musste man Erling lassen: Er und seine Leute verstanden es, köstliche Speisen zuzubereiten.
    Nun saß Thankmar den Bauern gegenüber auf einer erhöhten, mit Fellen gepolsterten Bank, die eigentlich dem Hausherrn vorbehalten war, und kaute in aller Ruhe auf einem Stück Wurst. Dann aß er ein Stück Brot und spülte alles mit einem ordentlichen Schluck Bier herunter.
    Die Bauern mussten warten. Je länger Thankmar sie im Ungewissen ließ, desto größer wurde ihre Angst, und je größer ihre Angst war, desto eher würden sie mit ihm zusammenarbeiten.
    Unterdessen wuselte Poppo im Haus herum, durchwühlte mit Wolle
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