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Das Lied des Todes

Das Lied des Todes

Titel: Das Lied des Todes
Autoren: Axel S. Meyer
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Wirken auf heidnischem Boden geschwärmt hatte, ließ er sich von Thankmar das Amulett zurückgeben und ging damit zu Erling.
    «Du weißt, Bauer, dass es verboten ist, dieses Zeichen zu tragen», hielt Poppo ihm vor.
    «Es ist ein Erbstück meines Vaters», erwiderte Erling leise. «Mein Vater hatte es von seinem Vater und er von seinem. Das Amulett ist seit langer Zeit im Besitz unserer Sippe …»
    «Ja, genau! Viel zu lange herrschten die Götzen über dieses Land. Doch nun hat es die Kirche im Namen des Vaters, des Sohnes und des Heiligen Geistes unter Strafe gestellt, den alten Götzen zu dienen und ihre Symbole anzubeten.»
    Poppo drehte sich um und warf den Thorshammer ins Feuer. Der Bernstein verfärbte sich schwarz.
    Als Erling dies sah, weiteten sich seine Augen, und für einen Moment schien es, als wolle er in die Flammen greifen. Aber das Amulett war bereits zu einem dunklen Klumpen zusammengeschmolzen.
    «Kommen wir nun zu den weiteren Verfehlungen», sagte Poppo, «derer ihr euch schuldig gemacht habt …»
    Doch bevor er fortfahren konnte, unterbrach Thankmar ihn.
    Widerstrebend trat Poppo hinter die Bank zurück.
    Thankmar wusste, dass der Bischof diese Auftritte genoss, und es tat ihm aufrichtig leid, Poppo den Spaß zu verderben. Aber diese Angelegenheit war von größter Wichtigkeit. Sie durfte auf keinen Fall durch übereifriges Handeln gefährdet werden.
    Also wandte er sich an die Bauern.
    «Seit einem Jahr bin ich euer Herr», sagte er milde. «Ich habe die Stelle des Markgrafen Wichmann angetreten, der auf heimtückische Weise ermordet wurde. Aber das ist jetzt nicht wichtig. Erling, erzähl mir, ob du eigentlich weißt, welches meine oberste Aufgabe ist.»
    «Ihr seid unser Lehnsherr. Wir müssen Abgaben zahlen für das Land, das wir bestellen.»
    «O ja! Aber natürlich
nehme
ich nicht nur. Nein, ich
gebe
euch auch. Sehr viel sogar. Obwohl ich glaube, dass ihr euch dessen gar nicht bewusst seid.»
    Erling glotzte ihn an, als habe Thankmar soeben verkündet, mit ihm Freundschaft schließen zu wollen.
    «Ich gebe euch Frieden und Sicherheit», fuhr Thankmar fort. «Ich beschütze meine Vasallen – und im Gegenzug leistet ihr mir Abgaben. So einfach ist das. Es ist die von Gott gegebene Ordnung der Welt, in der es Herren und Untertanen gibt. Und die Untertanen sind ihren Herren nicht nur zu Abgaben verpflichtet, sondern auch zu Gehorsam, Treue und Aufrichtigkeit. Kannst du dem folgen, Erling?»
    Der Bauer nickte.
    «Gut», meinte Thankmar. «Ich sehe, wir verstehen uns. Dann schick jetzt deine Frau zu mir.»
    Erling zuckte zusammen. Gunnlaugs Weinen wurde lauter; auch ihre Kinder begannen zu schluchzen.
    «Ich habe Eurem Verwalter doch bereits alle Abgaben gezahlt, die Ihr fordert, Herr», sagte Erling schnell. «Fleisch, Getreide, Töpfergefäße, sogar einen der beiden Ochsen, und ich weiß nicht, wie ich ohne ihn im nächsten Frühjahr die Felder bestellen soll …»
    «Psst», machte Thankmar und wandte sich an die Bäuerin. «Komm zu mir, Frau!»
    Gunnlaug warf ihrem Mann einen verzweifelten Blick zu. Erling presste die Lippen zusammen und ballte die Hände zu Fäusten. Auch er kämpfte mit den Tränen.
    «Komm her, Frau!», wiederholte Thankmar.
    Als sich Gunnlaug noch immer nicht bewegte, mischte Poppo sich ein. «Lasst mich mit ihr die Wasserprobe machen, Herr Graf. Auf diese Weise habe ich noch jeden widerspenstigen Geist gebrochen.»
    Thankmar konnte an den entsetzten Gesichtern der Bauern ablesen, dass sie genau wussten, was Poppo meinte. Die Wasserprobe war seine Spezialität. Mittlerweile gab es wohl in der ganzen Mark niemanden mehr, der noch nicht davon gehört hatte.
    Aber Thankmar schüttelte den Kopf. «Mein lieber Herr Bischof, ich bin sicher, dass diese braven Menschen auch ohne Eure Wasserprobe mit uns zusammenarbeiten werden, oder, Erling?»
    Der Bauer beugte sich zu seiner Frau und flüsterte ihr etwas ins Ohr. Daraufhin nickte sie traurig und übergab ihm die weinenden Kinder. Dann half der Knecht der Frau, sich aufzurichten.
    «Das Weib soll allein gehen», befahl Thankmar. Allmählich war es an der Zeit, einen schärferen Ton anzuschlagen.
    Auf unsicheren Füßen humpelnd, bewegte sich die Frau auf Thankmar zu. Er sah ihr an, welche Schmerzen ihr jeder Schritt bereitete.
    «Es tut noch immer sehr weh, nicht wahr?», meinte Thankmar mit gespieltem Mitleid.
    Sie war vor ihm stehen geblieben und wagte es nicht, ihn anzuschauen.
    «Ja», antwortete sie leise.
    «Wie
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