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0011 - Das Todesschloß

0011 - Das Todesschloß

Titel: 0011 - Das Todesschloß
Autoren: Franc Helgath
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Das Schloß des Earl of Blakeborne lag noch im Dunst. Schemenhaft hob es sich über den Horizont, ein grauer Fleck in der grüngrauen Dämmerung. Die Hechte standen gut an diesem Morgen. Gordon Maxwell hatte schon drei Prachtexemplare gefangen und ihnen die Köpfe zerschlagen. Jetzt wollte er sein Glück in der Nähe der abgerissenen Zugbrücke versuchen. Er brach durch das Schilf. Brackiges Wasser schlug schmatzend über den Rand seiner hohen Schaftstiefel.
    Um ein Haar wäre er über die Leiche gestolpert!
    Sie war in ein gelbes Kleid aus schimmerndem Stoff gehüllt und trieb mit dem Gesicht nach unten und mit ausgestreckten Armen im Wasser. Die schwarzen Haare schwammen wie ein ausgebreiteter dunkler Fächer auf dem reglosen Wasser.
    Gordon Maxwell trat unwillkürlich zurück. Er hatte schon oft Wasserleichen gesehen. Erst im vergangenen Jahr hatte er unweit dieser Stelle den Sohn des Dorfschmiedes aus dem Schloßgraben gezogen. Er war beim Spielen ertrunken. Und wieder ein Jahr vorher war Mary Greenwood, eine Bedienstete des Schlosses, hier ins Wasser gegangen. Sie hatte es nicht verwinden können, daß ihr Geliebter sie hatte sitzenlassen. Daß sie ins Wasser gehen wollte, hatte sie in einem Abschiedsbrief hinterlassen, doch ihre Leiche wurde nie gefunden.
    War sie es, die auf dem Wasser trieb?
    Gordon Maxwell schüttelte den Kopf. Mary Greenwood war rothaarig gewesen, und diese Frau hatte schwarzes Haar. Der Fischer griff zu. Das Fleisch saß noch fest an den Oberarmen. Lange konnte die Leiche nicht im Wasser gelegen haben. Maxwell zog die Frau ans Ufer. Wie ein Stück Treibholz ließ die Leiche sich bewegen. Dann hatte Maxwell es geschafft.
    Immer noch lag die Frau mit dem Gesicht nach unten im nassen Schilf. Maxwell drehte sie herum.
    Der Mann schrie erschrocken auf und taumelte einige Schritte zurück. Das Entsetzen schnürte ihm mit kalter Faust die Kehle ab. In der Brust der Toten steckte ein Dolch.
    Er war nicht aus dieser Zeit. Kein Juwelier würde heute noch den Knauf eines Messers in dieser Weise ausstaffieren. Der lodernde Glanz von dunklen Rubinen und Smaragden lag eingebettet in Ornamente aus Gold und Silber. Den Abschluß des Knaufes bildete ein taubeneigroßer Granat, dessen unzählige Facetten wie Diamantensplitter glitzerten.
    Doch nicht die Waffe war es, die Maxwells Blut in den Adern gefrieren ließ, die ihm das Entsetzen prasselnd wie Hagelschauer den Rücken hinunterpeitschte. Es war das Mädchen selbst.
    Maxwell kannte Gladys gut, das Mädchen von Ernest Earl of Blakeborne. Sie war immer freundlich und aufgeweckt gewesen, wenn er der Vereinbarung nach zwanzig Prozent von seinem jeweiligen Fang in Exmoor Castle abgeliefert hatte. Gladys war bei allen beliebt gewesen.
    Und jetzt lag sie bleich und tot im nassen Schilf am Ufer des Schloßgrabens. Ihre Augen waren wie im friedlichen Schlummer geschlossen.
    Dann kroch eisige Kälte über die wettergegerbte Haut des Fischers. Schnell schlug er das Kreuzzeichen vor seiner breiten Brust, doch das Unfaßbare – es nahm seinen Lauf.
    Die Augenlider der Toten vibrierten.
    Unmerklich zuerst, dann immer deutlicher. Schließlich schlug sie die Augen ganz auf. Sie blieben gebrochen, stumpf und tot.
    Die weißen Lippen der Toten zuckten, öffneten sich zu einem schmalen Spalt, bewegten sich.
    Ihre Stimme kam wie aus fernen Ewigkeiten, ein zaghaftes, hallendes Flüstern nur. Und trotzdem verstand Gordon Maxwell jedes einzelne Wort.
    Er hätte aufschreien mögen und davonlaufen, doch seine Beine versagten ihm den Dienst. Er stand wie festgenagelt.
    »In drei Tagen kommt der Henker…«
    Das war alles, doch Maxwell erschien es, als hätten diese wenigen Sekunden Stunden gedauert. Er erwachte erst aus seiner Starre, als die Augen sich wieder geschlossen und die weißen Lippen sich wieder fest aufeinandergelegt hatten.
    Doch dann gab es für Gordon Maxwell kein Halten mehr. Er schleuderte die Fische in hohem Bogen von sich und brach wie ein weidwund geschossenes Tier durch die niederen Ginsterbüsche, die den Platz an der alten Zugbrücke von der Straße trennten. Das Grauen saß ihm wie eine schwere Last im Nacken, biß sich fest wie eine giftspeiende Tarantel, trieb ihn vorwärts über den ausgewaschenen Weg auf sein Dorf zu.
    Erst auf den letzten Metern zügelte er sein Tempo etwas. Aus Kaminen stieg Rauch auf, die hellen Quadrate von Fenstern drangen mit anheimelnd warmem Schein durch das dumpfe Zwielicht, kündeten davon, daß Menschen in der Nähe waren,
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