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Das Lied des roten Todes

Das Lied des roten Todes

Titel: Das Lied des roten Todes
Autoren: Bethany Griffin
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nicht, dass wir einander immer noch brauchen«, sage ich.
    Er sackt gegen den Kamin, und obwohl er wieder nach seinem Vater tritt, ist die Bewegung planlos. Ich wende mich ab und steige die Stufen zum Deck des Luftschiffs hoch.
    Kent hebt ab, und es scheint, als würden alle Will benötigen. Zuerst wird er von Elise und Henry überfallen und geküsst und umarmt. Dann versorgt er die Schnittwunde in Kents Gesicht mit einer Salbe.
    »Arzt zu sein ist ein ehrbarer Beruf, mit etwas Ausbildung«, sagt meine Mutter zu niemand besonderem, als sie sieht, wie Will alle zusammenflickt. Der Saum von seinem Hemd hebt sich etwas mehr, als er Kent etwas auf die Stirn tupft.
    »Araby.« Minas Augen sind riesig. »Ich … glaube, da sind noch mehr Tätowierungen.«
    So viel zur Ehrbarkeit.
    Meine Mutter scheint kurz davor zu stehen, noch etwas zu sagen, aber meine Aufmerksamkeit gilt Will. Wie er sich bewegt. Wie er das Deck mustert, dafür sorgt, dass Henry und Elise in Sicherheit sind. Wie es sich anfühlt, wenn sein Blick dem meinen begegnet und seine Aufmerksamkeit zumindest ein paar Augenblicke vollständig auf mich gerichtet ist.
    »Du warst erstaunlich –«
    »Und was ist mit dir und deiner Höhenangst?« Meine Stimme klingt spöttelnd, und seine Mundwinkel wandern in die Höhe.
    »Wir sind ein gutes Team.«

Vierundzwanzig
    E s regnet wieder, und die Stadt riecht nach gefallenem Laub. Will hält einen schwarzen Schirm über mich. Henry und Elise stehen dicht bei meiner Mutter, um dem Regenguss zu entkommen.
    Vor uns stehen drei Statuen, weinende Engel, die bittend ihre Hände ausstrecken.
    »Wir werden sie vermissen«, intoniert Elliott und schließt das Buch, aus dem er gelesen hat, streicht sich das nasse blonde Haar aus dem Gesicht.
    Der Friedhof ist voll mit schwarzen Kleidern unter weißen Masken. Es ist das erste Mal seit Jahren, dass ich auf einer Beerdigung bin. Das erste Mal, seit wir den Luxus haben, unsere Toten zu begraben.
    Kaltes Wasser spült um meine Stiefel. Es ist ein passender Tag, um April zu beerdigen. Ich schwanke etwas, es geht mir zu schlecht, um zu weinen, und Will hält mich fest. Thom, unser neuester Held, richtet die Blumen neu und stellt sich dann mit gesenktem Kopf neben das Grab.
    Aber das Regenwasser, das durch die Straßen läuft, ist sauber. Und der Sumpf hat sich schon um ein oder zwei Meter zurückgezogen.
    Elliott hat die Wahl verschoben, aber er wird sie bekommen – auch wenn es keinen Gegenkandidaten gibt. Will druckt jetzt eine Zeitung und berichtet über jeden Schritt, den Elliott macht. Kent macht Pläne, die Stadt zu verlassen, auch wenn Elliott das Luftschiff zur Zeit noch in Beschlag genommen hat, um die Bevölkerung mit Nahrung zu versorgen. Es ist eine gewaltige Aufgabe.
    Vater befindet sich immer noch in Elliotts Gewahrsam, und wenn er, begleitet von seinen Wachen, nach draußen geht, rufen die Leute ihm Obszönitäten zu. Aber er lebt. Mein Vater ist ein Mörder. Aber auch ich bin eine Mörderin. Das Ausmaß dessen, was er getan hat, trifft mich manchmal mit voller Wucht. Und dann denke ich, dass Elliott vielleicht recht hat, wenn er Vergeltung fordert.
    Zumindest hatte ich die Chance, Vater zu sagen, dass ich ihn liebe, und schon bald werde ich in der Lage sein, ihm zu sagen, dass ich ihm vergebe. Er hilft dabei, den Impfstoff aus weißem Pulver herzustellen und die Wasserversorgung damit zu versetzen. Neue Fälle vom Schwärenden Tod treten fast gar nicht mehr auf. Seit Tagen ist niemand mehr am Roten Tod gestorben. Die Leute tragen immer noch Masken, aber irgendwann werden wir das nicht mehr tun müssen.
    Ich gehe jeden Tag zum Debauchery Club, um Elliott zu bitten, meinen Vater freizulassen. An den meisten Tagen will er mich nicht sehen. Manchmal spricht er mit mir, als wären wir Freunde, aber an den Tagen, an denen ich es tatsächlich schaffe, Vater zu erwähnen, werden seine Augen eiskalt.
    Vielleicht wäre es anders, wenn April noch leben würde. Ich weiß es nicht.
    Als wir den Friedhof verlassen, hat der Regen aufgehört. Noch ist alles nass, aber es scheint schon wieder die Sonne.
    Wir gehen über eine niedrige Brücke, und ich lege meine Hände auf den Stein des Geländers, lausche dem unvertrauten Klang von Kinderlachen. In dem grünen Fleck zwischen zwei Gebäuden schießen sich ein paar Jungen einen Ball zu. Sie lachen. Henry sieht ihnen interessiert zu.
    »Weine ruhig«, sagt Will. »Sie … würde wollen, dass du es tust. Laut und dramatisch.«
    Und
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