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Das Lied des roten Todes

Das Lied des roten Todes

Titel: Das Lied des roten Todes
Autoren: Bethany Griffin
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eingegangen bin«, sagt Will. »Und ich werde die Konsequenzen akzeptieren.«
    »Nicht allein«, sage ich.
    Ich betrachte ein paar Augenblicke Kent am Steuerruder und frage mich, ob ich etwas mehr über April sagen soll, aber dann zieht Will mich weg. Wir stehen an der Reling im hinteren Bereich des Schiffes, aber statt den atemberaubenden Anblick unter uns zu betrachten, sehen wir einander an.
    »Ich habe es nicht verdient …«, beginnt er, aber ich hebe meine Hand, um ihn zum Schweigen zu bringen. Es ist zu nah dran an dem, was ich nach Finns Tod gedacht habe. Dass ich kein Glück verdient hätte.
    Niemand von uns sollte so etwas noch länger denken. Noch dazu, wenn er doch derjenige war, der mich davon überzeugt hat, dass das Leben sich lohnt.
    »Entschuldige dich nicht mehr dafür«, sage ich zu ihm. »Es ist vorbei. Wir haben beide schreckliche Dinge getan. Und wir würden es wieder tun, wenn es sein müsste.«
    Er macht Anstalten, etwas zu sagen, aber ich halte ihn mit einem raschen, ziemlich unschuldigen Kuss davon ab. Der Wind zerzaust seine Haare. Er starrt über die Landschaft, dann sieht er mich wieder an, und der Hauch eines Lächelns liegt auf seinen Lippen.
    »Gehen wir in die Kabine«, sagt er. Und damit ist der zerknirschte Will verschwunden. Jetzt ist er der Will, dem ich damals begegnet bin, dessen Bewegungen geschmeidig sind, dessen Augen aufregende Erlebnisse versprochen haben. Er schließt die Tür hinter uns, und dann berührt er meine Wange mit dem Daumen, hebt mein Kinn, als hätten wir alle Zeit der Welt. Meine Lider schließen sich flatternd. Aber er küsst mich nicht. Seine Hände streicheln über meinen Hals, bevor sie zu den Schultern gleiten. Jede Bewegung schickt Schauer durch mich hindurch. Und obwohl ich anerkennen muss, dass er bei alldem sehr viel Geschick beweist, lasse ich nicht zu, dass ich zerfließe. Noch nicht.
    »Tu nichts«, sage ich und nehme seine Hände, lege sie an meine Taille. Selbst hier, wo sie leicht an meinen Seiten liegen, bringen seine Finger mich zum Zittern.
    Ich beginne an seinem Kragen, spüre seinen Tätowierungen nach, ganz langsam, höher und höher und höher. Meine Hände sind in seinen Haaren, die zugleich wie Seide und rau sind. Ich folge den Tätowierungen nach unten. Ich könnte ihn ewig anfassen, aber sein feines Lächeln deutet darauf hin, dass er nicht die ganze Zeit einfach so stehen bleiben wird, während ich das tue.
    Er beugt sich zu mir, und seine Lippen fordern meine.
    Es ist anders als all die Male zuvor. Es ist nicht sanft, nicht fragend, einfach nur leidenschaftlich. Ich werde gegen die Tür gedrückt, und er verschlingt mich.
    Irgendwann geben meine Knie nach – es war ein sehr langer Tag und eine lange Nacht –, und er führt mich zum Feldbett. Wir hören nicht auf, uns zu küssen, auch nicht, als die Federn laut dagegen aufbegehren. Ich kann nicht genug von ihm bekommen.
    »Araby!«, ruft meine Mutter. Wir hören das Quietschen der Tür und lösen uns voneinander, aber es reicht nicht, um zu verbergen, was wir tun. Sie steht schockiert in der Tür, hält sich eine Hand vor den Mund. Dann macht sie einen Schritt zurück, als würde sie in Ohnmacht fallen, und obwohl sie eine schreckliche Nacht gehabt hat, muss ich einfach lächeln – selbst in dem Wissen, dass ich verlegen sein sollte, weil sie sehen musste, dass ich zwar immer noch das trage, was von meinem Kleid noch übrig ist, aber sein Hemd bereits halb aufgeknöpft ist.
    Selbst jetzt muss er seine Hand zurückziehen, mit rotem Kopf, um nicht irgendeine unbeabsichtigte Liebkosung auszuführen. Wenn sie uns nicht unterbrochen hätte, weiß ich nicht, ob wir noch hätten aufhören können.
    »Es ist nicht schicklich für dich, hier allein zu sein«, sagt sie. Ich bin nicht sicher, was sie glaubt, was ich all diese Nächte im Debauchery Club getan habe. Ich habe keine Jungen geküsst, aber ich hätte es tun können. Dennoch ist sie meine Mutter, also widerspreche ich nicht. Will und ich folgen ihr zurück an Deck.
    Jetzt, da die Leidenschaft auf ein erträgliches Maß gesunken ist, muss ich an April denken. Sie hätte dies für mich gewollt. Sie hätte mich dazu ermutigt.
    Aber April wird nie wieder einen Jungen küssen. Nicht die flüchtigen Bekannschaften, die sie im Club getroffen hat, und auch nicht Kent mit seiner Brille und den unordentlichen Haaren. Ich schlinge meine Arme um mich selbst und sehe nach unten, begreife überrascht, dass wir schon über der Stadt sind.
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