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Bis zum bitteren Ende - Die Toten Hosen erzählen ihre Geschichte

Bis zum bitteren Ende - Die Toten Hosen erzählen ihre Geschichte

Titel: Bis zum bitteren Ende - Die Toten Hosen erzählen ihre Geschichte
Autoren: Die Toten Hosen
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Auf der Suche nach der Schnapsinsel
    Drei Chinesen mit dem Kontrabaß Saßen auf der Straße und erzählten sich was Da kam die Polizei...
    Hundert schwer bewaffnete Polizisten in sauberen Kampfanzügen stehen an der Anlegestelle, als die Fähre aus Bremerhaven eintrifft. Es ist der 27. September 1986, ein heller Tag. Automotoren werden angelassen, Taue um Poller gelegt; ein stetiger Strom aus Einheimischen und Tagestouristen ergießt sich zähflüssig an Land. Die Blicke der Uniformierten sind aber nicht auf die Butterkreuzfahrer geheftet, sondern auf den großen Pulkjugendlicher dahinter, deren Kleidung und Frisuren bei ihnen das Alarmlämpchen aufleuchten läßt: etwa drei-bis vierhundert männliche wie weibliche Subjekte, überwiegend angetan in derben Stiefeln, bunten Jacken, Hosen und Haaren, das ganze Punk-Programm. Die Männer der Hundertschaft, die man heute morgen per Helikopter auf die Nordseeinsel geflogen hat, beobachten diese Jugendlichen ungerührt, aber äußerst wachsam. Willkommen auf Helgoland.
    Hundert Polizisten? Aus dem Unterdeck des großen Fährschiffes steigen zweimal fünfzig weitere Polizisten vorne und hinten die Aufgänge hoch. Nicht weit dahinter kommt auf dem Wasser noch ein Polizeischiff mit Besatzung zum Vorschein; es war der Fähre vom Ablegen in Bremerhaven an gefolgt. Zweihundertundnochmehr Uniformierte für fünf Musiker in knallig bunten Schlaghosen und ihre mitgereisten Fans, die nun gemeinsam die bizarrste Prozession in der Geschichte Helgolands beginnen: Verfolgt von den grün-wei-ßen Bodentruppen und einer kreischenden Möwenschar, staksen die Jugendlichen scheinbar unbeirrt den Kreidefelsen in Richtung Dorfplatz empor. Unterwegs ist vorne in dem bunten Haufen eine Stimme zu vernehmen: »Ey, lass uns aufteilen. Mal sehen was die dann machen!«
    So spaltet man sich in je zweimal zwei Gruppen auf, um auf dem Dorfplatz wieder zusammenzukommen, die Ordnungshüter immer im Schlepptau, und begrüßt dort ein paar junge Insulaner. Nicht viel später stehen die fünf Musiker und ihre Freunde in zwei kompletten Mannschaften auf dem Feld und tragen untereinander ein Spiel aus, dessen Sicherheitsvorkehrungen im Bereich des europäischen Fußballs bis heute nicht wieder erreicht worden sind. Einer von ihnen, den die anderen »Campi« rufen, geht zwar mehrmals mit gestrecktem Bein zum Ball. Aber dafür gleich einen Polizeieinsatz?
    Der 27. September 1986, ein ganz besonderer Tag für Helgoland. Nicht jedoch für die Toten Hosen. Andi, Breiti, Campi, Kuddel und Wölli sind Triumphe auf dem Bolzplatz gewohnt. Auch die heutige Schlacht gewinnen sie am Ende, wie so häufig, turmhoch. Und die Manöver der Staatsmacht sind ihnen mindestens ebenso vertraut. Seit ihrer Gründung vor viereinhalb Jahren hat die Band mehr Mißverständnisse und unfreiwillige Kollisionen produziert als Schallplatten.
    Dabei sind die fünf alles andere als eine Hardcore-Truppe. Bloß fünf Punkrocker auf der Suche nach der guten Dosis täglichen Spaß, die eigentlich ins Grundgesetz müßte. Will man mal eine Reise nach Helgoland machen, ein Konzert geben und etwas rumbolzen mit der Urbevölkerung, stehen schon zweihundert Uniformierte vor einem und fragen wortlos, was das soll. Schmeiß einen Stein ins Wasser, sagt der irische Dichter Flann O’Brian, und du weißt nicht, wohin er fällt.
    Später finden die Hosen heraus, wie die Kausalkette begann. Ein Konzert in der Hamburger »Fabrik« ein paar Tage vorher, einige Ausschreitungen im Publikum und vor der
    Halle, ein Helgoländer Bürgermeister, der sich telefonisch beim Hamburger Polizeichef informiert - schon ist ein neues Auftrittsverbot ausgesprochen. Doch niemand ist es untersagt, ein Fährschiff zu betreten und auf der Insel dem Nationalsport nachzugehen; auch Punkrockern nicht. So seifen Andi und die anderen ihre durchaus nicht erzürnten Gastgeber beim Kicken ab und setzen mit ihnen am Abend gemeinsam nach Nordenham über, dem neuen Schauplatz für das geplante Abschlußkonzert ihrer Tournee. Da werden die Membrane in den Boxen zum Tanzen gebracht, da schäumt das Flaschenbier mit der Stimmung über.
    Dreihundertundnochwas Hosen-Fans auf der Abschlußparty, fünf »Chinesen«, ein Contra und ein Bass. Hallo in Nordenham, fuck Helgoland!
    IS

    Auf der Suche nach der Schnapsinsel: Die Hosen Mitte der 80er

Wie alles anfing oder Das Grauen geht auf große Fahrt
    Der Doc sagt, daß ich, Campino, meine Art zu leben ändern müßte, wenn ich jemals so alt werden
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