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Weg da das ist mein Fettnapfchen

Weg da das ist mein Fettnapfchen

Titel: Weg da das ist mein Fettnapfchen
Autoren: Notaro Laurie
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Bis aufs Blut
    Die Bluse war absolut süß.
    Sie hatte einen Bubikragen, mit niedlichen Minirüschen verzierte Pintuck-Biesen links und rechts entlang der Knopfleiste und kleine Puffärmel, wie ich sie noch nirgendwo gesehen hatte. Sie muteten fast ein wenig viktorianisch an und waren doch irgendwie cool und luftig. Kurz: Die Bluse war der Oberhammer.
    Also ging ich in den Laden und beging Fehler Nummer eins:
    Ich griff nach dem Preisschild, bei dessen Anblick mein Herz schneller schlug – sie war heruntergesetzt. Ich könnte zwar allein wegen meiner mathematischen Defizite jederzeit unter staatliche Vormundschaft gestellt werden, bin aber durchaus fähig, einen Betrag durch zwei zu teilen und in sechzig Prozent der Fälle zum korrekten Ergebnis zu gelangen, was in diesem Fall eine Summe ergab, die mich spontan Fehler Nummer zwei begehen ließ:
    Ich stellte mir vor, wie ich darin aussehen würde.
    Natürlich sah ich die Version von Laurie 1994 und nicht die Laurie von heute vor mir. Laurie 1994, das muss an dieser Stelle erwähnt werden, ist eine Kreuzung aus Kinoposter und diesen »Wem steht es besser?«-Vergleichen aus den Modezeitschriften, für die meine Mutter ein lebenslanges Dauerabo hat. Dieses umwerfende, minimal realitätsverschobene Bild von mir ist eine Mischung aus Uma Thurmans Figur in Pulp Fiction , Andie MacDowells Haarpracht in Vier Hochzeiten und ein Todesfall und Julia Roberts’ Lächeln in Nichts als Ärger. Laurie 1994 ist eine Frau, die nicht nur in allem gut, sondern geradezu sensationell aussieht. Laurie 1994 malte sich damals auch aus, wie sie in fünfzehn Jahren als Chefredakteurin eines superhippen Hochglanzmagazins arbeiten und in einer Gehaltsklasse schweben würde, die es ihr erlaubte, eine Privattoilette (inklusive Passwortaktivierung und Schallschutzdämmung) als Teil ihres Arbeitsvertrags einzufordern. Diese Laurie sah sich niemals einen Ballaststoffriegel und eine Banane zu Mittag essen und danach ins Badezimmer gehen, um herauszufinden, ob schon wieder dieser widerliche Pickel auf ihrer Nase spross. Ebenso wenig hätte diese Laurie jemals zugelassen, dass der Gärtner sie in Sportklamotten und diesem grauenhaften »Working For The Weekend«-Stirnband sah, für das sie sich in Grund und Boden schämte. Laurie 1994 wäre auch zutiefst enttäuscht gewesen, wenn sie mitbekommen hätte, dass Laurie von heute sich nicht entblödete, »ChuckyPup« bei eBay für einen rosa Hundeparka zu überbieten. Oder dass sie Zettel mit Hassparolen unter die Scheibenwischer von Autos klemmte, nach dem Motto: »Ihre Diebstahlsicherung am Auto geht ständig los, was absolut nervtötend für Menschen ist, die zu Hause arbeiten und Gemeindesteuer bezahlen. Parken Sie Ihre Dreckskarre gefälligst anderswo, außerdem ist die Farbe potthässlich. Wer kauft sich schon ein gelbes Auto? Wer, hm?« Aber dieser Kia war ihr schon seit Wochen auf den Keks gegangen. Oder dass sie drei geschlagene Stunden vor dem Spiegel stand und unter Zuhilfenahme von sechs verschiedenen Lichtquellen versuchte, irgendwelche feigen Haare am Kinn auszumachen und zu eliminieren. Das Leben hatte sich definitiv nicht so entwickelt, wie Laurie 1994 es sich vorstellte, aber zumindest kann ich notfalls um halb drei Uhr früh bei geöffneter Tür aufs Klo gehen. Auch wenn ich die Aussicht, dass ich dabei die Diebstahlsicherung eines Autos vor der Tür auslöse, reichlich nervig finde.
    Jedenfalls sah Laurie 1994 in meiner Fantasie absolut umwerfend aus in dieser Bluse. So umwerfend, dass sie nicht nur ihre eigene Laune damit hob, sondern auch die aller anderen, die sie in diesem Wunderwerk aus Puffärmeln, Biesen und süßen Rüschen sahen. Und so kam es, dass Uma Thurmans Traumkörper in Begleitung eines Hundes in einem rosa Parka die Straße entlangschlenderte, während Andie MacDowells glänzende Haarpracht in der Sonne wippte, sodass sich alle Leute nach ihr umdrehten und Laurie 1994 allen zulächelte – sie sah so hinreißend in ihrer Rüschenbluse aus, und das, ohne dabei arrogant zu wirken. Ihr Lächeln reichte von einem Ohr zum anderen und entblößte dabei so viele von Julia Roberts’ hübschen Zähnen, wie nur eben in ihren Mund passten, sprich, etwa die Hälfte.
    Und damit kam es zu Fehler Nummer drei: Ich nahm die Bluse vom Ständer und fragte, ob ich sie mal anprobieren dürfte. Ehrlich gesagt hing ich zu diesem Zeitpunkt längst am Haken. Schon drei geschlagene Wochen lang hatte ich immer wieder schmachtend vor dem
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