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Das Janusprojekt

Das Janusprojekt

Titel: Das Janusprojekt
Autoren: Philip Kerr
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plötzlich Nebel war, ein regelrechtes Nebelmeer. Ich fluchte und schimpfte, bis mir einfiel, dass ja bei Nebel auch keine Flugzeuge starten konnten. Fast hätte ich gejubelt. Bei dieser schlechten Sicht bestand immerhin noch eine gewisse Chance, dass ich es rechtzeitig schaffen würde. Aber was würde ich tun, wenn ich erst da war? Klar, ich hatte die Fünfundvierziger, aber nach dem Geschehen bei Haus Mönch hatte mein Elan, Leute zu erschießen, beträchtlich nachgelassen. Vier, vielleicht sogar fünf Menschen kaltblütig abzuknallen, war sowieso keine besonders verlockende Vorstellung. Als ich schließlich kurz nach Mitternacht das Flughafengelände erreichte, war ich längst zu dem Schluss gekommen, dass ich die beiden Frauen auf keinen Fall erschießen konnte. Bei den Männern konnte ich nur darauf hoffen, dass sie sich ordentlich zur Wehr setzen würden. Ich versuchte, alle Gedanken dieser Art aus meinem Kopf zu verbannen, als ich vor dem Hauptgebäude parkte. Ich stellte den Motor ab, nahm meine Papiere und mein Paket, rückte meinen Schlips zurecht und marschierte geradewegs auf den Wachposten zu. Ich hoffte, mein Englisch würde ausreichen, um die Lügengeschichte an den Mann zu bringen, die ich während der sechsstündigen Fahrt geprobt hatte.
    Der Wachposten wirkte viel zu warm gekleidet und zu gut ernährt, um auf der Hut zu sein. Er trug einen grünen Gabardinemantel, ein Barett, einen Schal und dicke, grüne Wollhandschuhe. Er war blond, blauäugig und einiges über einsachtzig. Auf dem Namensschildchen an seinem Mantel stand «Schwarz», und im ersten Moment dachte ich, er sei bei der falschen Armee gelandet. Er sah deutscher aus als ich.
    «Ich habe eine dringende Sendung für einen Major Jonathan Jacobs», sagte ich. «Er wollte heute um Mitternacht in die Staaten fliegen, zur Langley Air Force Base in Virginia. Der Major ist in Garmisch-Partenkirchen stationiert, und die Sendung ist erst gekommen, als er schon hierher unterwegs war.»
    «Sie sind von Garmisch hierhergefahren?» Der Wachposten guckte erstaunt. Und musterte mich eingehend. Mir fiel der Holzhammerhieb wieder ein, den mir Schlomo verpasst hatte. «Bei diesem Nebel?»
    Ich nickte. «Genau. Vorhin bin ich im Graben gelandet. Daher habe ich auch die Beule am Kopf. Ich habe wirklich noch Glück gehabt, hätte auch schlimmer ausgehen können.»
    «Das ist ja höllisch weit.»
    «Schon», sagte ich bescheiden. «Aber schauen Sie mal in die Papiere hier. Und auf die Pakete. Alles ganz dringend. Medizinisches Zubehör. Und ich habe dem Major versprochen, wenn die Sachen noch kämen, wenn er schon weg wäre, würde ich wenigstens versuchen, ihn noch zu erwischen.» Ich lächelte nervös. «Vielleicht könnten Sie ja mal nachsehen, ob die Maschine schon weg ist.»
    «Nicht nötig. Heute Nacht fliegt hier gar nichts ab», sagte Schwarz. «Selbst die Vögel sind am Boden festgenagelt. Wegen dem verdammten Nebel. Ist schon seit dem späten Nachmittag so. Sie haben Glück. Sie haben jede Menge Zeit, Ihren Major noch zu erwischen. Vor morgen früh tut sich hier gar nichts.» Aber er schaute trotzdem in seine Unterlagen. Dann sagte er: «Wie’s aussieht, sind in der Maschine nach Langley nur vier Außerplanmäßige.»
    «Außerplanmäßige?»
    «Nichtmilitärische Passagiere.»
    «Dr.   Braun und Frau und Dr.   Hoffman und Frau», sagte ich. «Stimmt’s?»
    «Stimmt», sagte der Wachposten. «Ihr Major Jacobs hat sie vor fünf, sechs Stunden da reingebracht.»
    «Wenn sie heute Nacht nicht mehr abfliegen», fragte ich, «wo sind sie dann jetzt?»
    Schwarz deutete mit dem Zeigefinger über das Flugfeld. «Bei dem Nebel können Sie’s nicht sehen. Aber wenn Sie da runterfahren und dann nach links, ist da ein fünfstöckiges Flughafengebäude. ‹Rhein-Main› steht auf der einen Seite drauf. Dahinter liegt ein kleines Hotel, direkt bei den Hauptkasernen. Da wird der Major jetzt wohl sein. Kommt oft vor bei der Mitternachtsmaschine nach Langley. Wegen Nebel. Ich schätze mal, die liegen jetzt alle schön warm in ihren Betten. So behaglich und so froh wie ein Floh im Haferstroh.»
    «Wie ein Floh im Haferstroh», wiederholte ich versonnen, zuerst, weil mich seine bildhafte Redewendung faszinierte. Und dann, weil sie mich auf eine Idee brachte. «Ja, verstehe. Dann sollte ich ihn wohl lieber nicht aus dem Schlaf reißen. Vielleicht können Sie mir ja sagen, wo der Frachtschuppen für diesen Flug ist. Dann gebe ich die Pakete einfach dort
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