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Das Janusprojekt

Das Janusprojekt

Titel: Das Janusprojekt
Autoren: Philip Kerr
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ab.»
    «Neben den Kasernen. Gar nicht zu verfehlen. Da brennt überall Licht.»
    «Danke», sagte ich und wandte mich zu meinem Wagen. «Ach, übrigens, ich komme ursprünglich aus Berlin. Vielen Dank für das, was ihr Jungs dort gemacht habt. Die Luftbrücke. Das ist auch ein Grund, warum ich heute Nacht die ganze Strecke bis hierher gefahren bin. Wegen Berlin.»
    Schwarz grinste mich an. «Gern geschehen», sagte er.
    Ich stieg wieder in den Wagen und fuhr auf das Flughafengelände, in der Hoffnung, dass dieses kleine Rührstück eventuell doch noch aufkommende Zweifel des Amis zerstreuen würde. Das hatte ich als Nachrichtenoffizier im Krieg gelernt: Das Wichtigste beim Lügen ist nicht die Lüge selbst, sondern das, was man an Wahrem drum herum erzählt, um sie zu stützen. Das mit der Luftbrücke war ehrlich gewesen.
    Das Flughafengebäude war ein Gebäude im Bauhausstil, wie die Nazis es gehasst hatten, was wohl der einzige Grund war, es zu mögen. Für mich bestand es nur aus großen Fenstern, kahlen Wänden und einer Menge egalitärer heißer Luft. Man konnte sich schon fast vorstellen, dass im obersten Stock Walter Gropius eine Wohnung hatte, mit einer von Paul Klee kunstvoll bekritzelten Lokuswand. Ich parkte meinen Wagen und mein Kulturphilistertum vor dem Gebäude und manövrierte eins der Pakete zur Fondtür hinaus. Da sah ich ihn. Jacobs’ grünen Buick Roadmaster mit den Weißwandreifen, nur ein paar Parklücken entfernt. Also war ich hier richtig. Ich klemmte das Paket unter den Arm und ging auf das Gebäude zu. Hinter mir, im Nebel gerade noch sichtbar, standen mehrere C-47 und eine Lockheed Constellation. Sie sahen alle aus wie zum Schlafen gebettet.
    Durch eine Nebentür betrat ich ein Frachtlager von der Größe einer ansehnlichen Fabrikhalle. Ein Transportband zog sich über die gesamte Länge von sechzig, siebzig Metern, und da waren etliche Falttüren, die aufs Rollfeld hinausführten. Mehrere Gabelstapler standen in der Gegend herum, und Dutzende von Gepäckkarren und Frachtgitterboxen mit Seesäcken, Koffern, Militärrucksäcken und Feldkisten, Paketen und Päckchen warteten wie eine Luftbrücke in spe. Die Fracht ging an Bestimmungsflughäfen so ziemlich überall in den Vereinigten Staaten – von Bolling ABF in Washington bis hin zu Vandenberg, Kalifornien. Irgendwo dudelte leise ein Radio. In der Tür zu einem kleinen Büro saß ein Ami mit einem Clark-Gable-Bärtchen, einer teewärmerartigen Mütze und einem speckigen Overall auf einem Karton mit der Aufschrift «Zerbrechlich» und rauchte eine Zigarette. Er sah müde und gelangweilt aus. «Kann ich Ihnen helfen?», sagte er.
    «Ich habe noch verspätete Frachtstücke für den Flug nach Langley», sagte ich.
    «Hier ist keiner außer mir. Nicht um die Zeit. Außerdem geht der Flug sowieso nicht vor morgen früh. Wegen dem Nebel. Kein Wunder, Mann, dass ihr den Krieg verloren habt. Hier Flugzeuge in die Luft und wieder runter zu kriegen, ist echt ein Kunststück.»
    «Würde mir besser gefallen, diese Erklärung, wenn damit nicht dieser unfähige Fettsack Göring aus dem Schneider wäre», biederte ich mich ein bisschen an. «Wenn an allem nur das Wetter schuld war.»
    «Gutes Argument», sagte der Mann. Er zeigte auf das Paket unter meinem Arm. «Das da?»
    «Ja.»
    «Haben Sie irgendwelchen Papierkram dazu?»
    Ich zeigte ihm die Papiere, die ich in Garmisch hatte mitgehen lassen. Und wiederholte die Erklärung, die ich am Torhaus gegeben hatte. Er guckte sie sich ein Weilchen an, krakelte dann eine Unterschrift darunter und deutete mit dem Daumen über die Schulter.
    «Ungefähr fünfzig Meter da lang ist eine Frachtbox, wo an der Seite mit Kreide ‹Langley› draufgeschrieben ist. Legen Sie’s einfach da rein. Wir kümmern uns dann morgen früh drum.» Er verschwand im Büro und schloss die Tür hinter sich.
    Ich brauchte etwa fünf Minuten, um die Frachtbox für Langley zu finden, aber dann noch eine Weile, bis ich ihr Gepäck entdeckt hatte. Zwei Vuitton-Überseekoffer standen hochkant neben einem der Frachtbehälter wie zwei New Yorker Wolkenkratzer. Beide waren freundlicherweise mit Etiketten versehen, auf denen «Ehepaar Dr.   Braun» bzw. «Ehepaar Dr.   Hoffman» stand. Die Vorhängeschlösser waren so billig, dass jeder mit einem halbwegs anständigen Taschenmesser sie aufgekriegt hätte. Ich hatte ein gutes Taschenmesser, und daher waren beide Koffer in zwei Minuten offen. Unter den besten Dieben der Welt sind einige
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