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Das Janusprojekt

Das Janusprojekt

Titel: Das Janusprojekt
Autoren: Philip Kerr
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SD-Scherge. Eher wie ein Jesuit.
    «Herr Begelmann hat den Wunsch geäußert, nach Palästina auszuwandern», sagte er glattzüngig. «Natürlich macht er sich Gedanken wegen seiner hiesigen Firmen und der Auswirkungen, die ein Verkauf auf die deutsche Wirtschaft hätte. Um Herrn Begelmann zu helfen, haben wir ihm eine Lösung vorgeschlagen. Eine Lösung, bei der Sie uns helfen könnten, Herr Gunther. Wir schlagen vor, dass er nicht offiziell auswandern, sondern vielmehr ein im Ausland tätiger deutscher Staatsbürger bleiben soll. Genauer gesagt, dass er in Palästina als Vertreter seiner eigenen Firma fungieren soll. So kommt er in den Genuss eines Gehalts und eines Teils der Firmengewinne, und gleichzeitig wird der Aufgabe dieser Abteilung, die jüdische Auswanderung zu fördern, entsprochen.»
    Ich hatte keinen Zweifel, dass die restlichen Firmengewinne des armen Begelmann nicht etwa dem Reich zukommen würden, sondern Franz Six. Ich zündete mir eine Zigarette an und musterte den SD-Mann mit einem zynischen Lächeln. «Meine Herren, das klingt, als ob Sie beide sehr glücklich miteinander werden könnten. Aber ich verstehe nicht, wozu Sie mich dabei brauchen. Eheschließungen sind nicht mein Metier. Nur Eheprobleme.»
    Six wurde ein wenig rot und sah verlegen zu Begelmann hinüber. Er hatte Macht, aber nicht die Sorte, die für jemanden wie mich eine Bedrohung darstellen konnte. Er war es gewohnt, Studenten und Juden zu drangsalieren, aber einen erwachsenen arischen Mann unter Druck zu setzen, schien jenseits seiner Möglichkeiten.
    «Wir brauchen jemanden … jemanden, dem Herr Begelmann vertrauen kann … der ein Schreiben des Berliner Bankhauses Wassermann an die Anglo-Palestine Bank in Jaffa überbringt. Es geht darum, bei der dortigen Bank einen Kontokorrentkredit zu beantragen und in Jaffa Räumlichkeiten für eine neue Automobilhandlung anzumieten. Der Mietvertrag wird dann als Beleg für Herrn Begelmanns wichtige neue Auslandsunternehmungen dienen. Ferner soll unser Mittelsmann der Anglo-Palestine Bank gewisse Besitztümer überbringen. Natürlich ist Herr Begelmann bereit, für diese Dienste ein beträchtliches Entgelt zu zahlen. Den Betrag von eintausend britischen Pfund, auszahlbar in Jaffa. Und natürlich wird der SD die nötigen Dokumente bereitstellen und den Papierkram übernehmen. Sie würden offiziell als Vertreter von Begelmann Automobile dorthin reisen. Inoffiziell agieren Sie als Geheimagent des SD.»
    «Tausend Pfund. Das ist eine Menge Geld», sagte ich. «Aber was ist, wenn mir die Gestapo irgendwelche Fragen stellt? Ein paar Antworten würden denen vielleicht gar nicht gefallen. Haben Sie daran gedacht?»
    «Natürlich», sagte Six. «Halten Sie mich für einen Dummkopf?»
    «Nein, aber die vielleicht.»
    «Es trifft sich günstig, dass ich demnächst noch zwei weitere Agenten nach Palästina schicken werde, in einer Erkundungsmission, die von höchster Stelle abgesegnet ist», sagte er. «Im Zuge ihrer sukzessiven Aufhebung wurde diese Abteilung beauftragt, die Möglichkeiten einer Zwangsemigration nach Palästina zu untersuchen. Für die Sipo sind Sie einfach Teil dieser Mission. Falls Ihnen die Gestapo irgendwelche Fragen zu Ihrem Auftrag stellen sollte, könnten Sie mit Fug und Recht das Gleiche antworten wie die anderen beiden: dass es eine geheimdienstliche Angelegenheit ist. Dass Sie Befehle von Gruppenführer Heydrich ausführen. Und dass Sie aus Sicherheitsgründen nichts Näheres darüber sagen können.» Er zündete sich eine scharfriechende, kleine Zigarre an. «Sie haben doch schon für den Gruppenführer gearbeitet, oder nicht?»
    «Ich versuche immer noch, es zu vergessen.» Ich schüttelte den Kopf. «Bei allem Respekt, Herr Sturmbannführer. Wenn Sie bereits zwei Männer nach Palästina schicken, wozu brauchen Sie mich dann noch?»
    Begelmann räusperte sich. «Wenn ich bitte etwas sagen dürfte, Herr Sturmbannführer?», fragte er vorsichtig und in feinstem Hanseatisch. Six zuckte die Achseln und nickte gleichgültig. Begelmann sah mich mit stummer Verzweiflung an. Auf seiner Stirn stand Schweiß, und ich glaube nicht, dass es nur an dem ungewöhnlich warmen Septemberwetter lag. «Weil Ihnen, Herr Gunther, der Ruf vorausgeht, ein ehrlicher Mensch zu sein.»
    «Von Ihrem Ruf, gern eine schnelle Mark zu machen, mal ganz abgesehen», sagte Six.
    Ich sah Six an und nickte. Ich war es leid, zu diesem Gauner in Uniform höflich zu sein. «Sie wollen also sagen, Herr
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