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Das Janusprojekt

Das Janusprojekt

Titel: Das Janusprojekt
Autoren: Philip Kerr
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ganze Land noch um die Ohren fliegen, und wir werden gehen, und dann wird es noch schlimmer sein als vorher. Merken Sie sich meine Worte, Herr Gunther.»
    Während er sprach, hatte er die Briefe überflogen und diverse Blätter heraussortiert. Einige waren leer bis auf eine Unterschrift.
    «Das hier sind Beglaubigungsschreiben», sagte er. «Und Unterschriftsproben für neue Bankkonten. Eins dieser Konten soll ein Gemeinschaftskonto für Sie und Dr.   Six sein, ist das richtig?»
    Ich runzelte die Stirn, wenig angetan von der Vorstellung, irgendetwas mit dem Chef des SD-Judenreferats gemeinsam zu haben. «Ich weiß nicht», sagte ich.
    «Nun ja, von diesem Konto sollen Sie das Geld nehmen, um die Immobilie hier in Jaffa zu mieten», erklärte er. «Und Ihr Honorar und Ihre Spesen ebenfalls. Das Guthaben ist auszahlbar an Dr.   Six gegen Vorlage seines Reisepasses und eines Bankbuchs, das ich Ihnen zur Weitergabe an ihn geben werde. Bitte stellen Sie sicher, dass er das weiß. Die Bank besteht darauf, dass sich der Bankbuchinhaber durch einen Reisepass ausweist, ehe das Geld ausgehändigt wird. Klar?»
    Ich nickte.
    «Dürfte ich Ihren Reisepass sehen, Herr Gunther?»
    Ich reichte ihn ihm.
    «Die beste Adresse, um eine gewerbliche Immobilie in Jaffa zu finden, ist Solomon Rabinowicz», sagte er, während er meinen Pass überflog und sich die Nummer notierte. «Er ist ein polnischer Jude, aber wohl der findigste Mensch, den ich bis jetzt in diesem nervtötenden Land getroffen habe. Er hat ein Büro in der Montefiore Street. In Tel Aviv. Das ist etwa eine halbe Meile von hier. Ich gebe Ihnen seine Adresse. Immer in der Annahme natürlich, Ihr Klient möchte keine Räumlichkeiten im Araberviertel. Das würde nur Ärger provozieren.»
    Er gab mir meinen Pass zurück und deutete mit dem Kinn auf Herrn Begelmanns Truhenkoffer. «Da drin sind wohl die Wertgegenstände Ihres Klienten?», sagte er. «Die, die er bis zu seiner Ankunft hier in unserem Tresor lagern möchte?»
    Ich nickte wieder.
    «Eines dieser Schreiben enthält ein Inventar des Inhalts dieses Truhenkoffers», sagte er. «Möchten Sie es vor der Aushändigung überprüfen?»
    «Nein», sagte ich.
    Quinton kam um den Schreibtisch herum und nahm den Truhenkoffer an sich. «Lieber Gott, ist der schwer», sagte er. «Wenn Sie einen Moment hier warten möchten, lasse ich Ihr Bankbuch ausstellen. Darf ich Ihnen Tee anbieten? Oder vielleicht Limonade?»
    «Tee», sagte ich. «Tee wäre großartig.»
     
    Nachdem ich meine Bankgeschäfte getätigt hatte, ging ich zu Fuß zum Hotel und stellte fest, dass Hagen und Eichmann bereits ausgegangen waren. Also nahm ich ein kühles Bad, fuhr nach Tel Aviv, suchte Herrn Rabinowicz auf und wies ihn an, eine geeignete Immobilie für Paul Begelmann zu finden.
    Die beiden SD-Leute sah ich erst am nächsten Morgen im Frühstücksraum wieder, als sie leicht zerknittert herunterkamen, auf der Suche nach schwarzem Kaffee. Sie hatten sich die Nacht in einem Club in der Altstadt um die Ohren geschlagen. «Zu viel Arrak», flüsterte Eichmann. «Das ist die hiesige Spezialität. Eine Art mit Anis versetzter Tresterschnaps. Meiden Sie ihn nach Möglichkeit.»
    Ich lächelte und zündete mir eine Zigarette an, wedelte aber den Rauch weg, als er mich gequält ansah. «Haben Sie Reichert erreicht?», fragte ich.
    «Ja. Er hat sogar den gestrigen Abend mit uns verbracht. Aber Polkes nicht. Der wird also höchstwahrscheinlich hier auftauchen und uns suchen. Würden Sie kurz mit ihm sprechen, nur fünf oder zehn Minuten, und ihm die Situation erklären?»
    «Wie ist denn die Situation?»
    «Unsere Pläne ändern sich leider von Minute zu Minute. Vielleicht kommen wir gar nicht mehr hierher zurück. Reichert meint, in Kairo würden wir mit den Visa auch nicht mehr Glück haben.»
    «Das tut mir leid», sagte ich. Es tat mir kein bisschen leid.
    «Sagen Sie ihm, wir sind nach Kairo gefahren», sagte Eichmann. «Und werden dort im National wohnen. Er soll uns dort treffen.»
    «Ich weiß nicht», sagte ich. «Ich will mit all dem eigentlich nichts zu tun haben.»
    «Sie sind Deutscher», sagte er. «Sie haben damit zu tun, ob es Ihnen passt oder nicht.»
    «Ja, schon, aber Sie sind die Nazis, nicht ich.»
    Eichmann sah mich schockiert an. «Wie können Sie für den SD arbeiten und kein Nazi sein?», fragte er.
    «Die Welt ist manchmal komisch», sagte ich. «Aber nicht weitersagen.»
    «Hören Sie, bitte, reden Sie mit ihm», sagte Eichmann.
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