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Das Janusprojekt

Das Janusprojekt

Titel: Das Janusprojekt
Autoren: Philip Kerr
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war?
    Die beiden Männer führten mich ins Bad. Ich wartete, bis ich hörte, wie draußen der Schlüssel abgezogen wurde, ehe ich die Tür der Holzverkleidung öffnete und hinter den Boiler langte. Einen Moment lang fand ich nichts. Dann ertastete ich die Pistole.
    Das Magazin einer Mauser ist nicht viel größer als ein Feuerzeug. Ich drehte die Waffe um und fummelte es mit steifen, nervösen Fingern oben aus dem Griffstück. Acht-Millimeter-Patronen sind ungefähr so groß wie die Feder eines anständigen Füllhalters. Und sehen auch nicht viel gefährlicher aus. Aber bei der Kripo gab es den alten Spruch: Entscheidend ist nicht, womit du ihn triffst, sondern wo. Es waren sieben Schuss im Magazin und einer im Lauf. Ich hoffte, dass ich keinen davon brauchen würde. Aber wenn doch, würde ich das Überraschungsmoment auf meiner Seite haben. Wer rechnet schon damit, dass ein nackter Mann mit nichts als einer Wolldecke am Leib eine Pistole haben könnte? Ich schob das Magazin wieder ins Griffstück und spannte den Hahn. Jetzt war die Pistole schussbereit. Dass sich versehentlich ein Schuss lösen könnte, brauchte in diesem Fall wohl nicht meine größte Sorge zu sein. Diese Männer waren professionelle Killer. Falls es zu einem Schusswechsel kam, konnte ich von Glück sagen, wenn ich einen von ihnen erwischte. Ich trank etwas Wasser, ging aufs Klo und versteckte dann die Hand mit der Pistole an der Stelle, wo meine andere Hand die Decke zusammenhielt. Wenigstens würde ich nicht sterben wie ein Hund. Ich hatte oft genug mitangesehen, wie Männer am Rand einer Grube erschossen wurden, um entschlossen zu sein, dass ich mich vorher selbst erschießen würde. Es verging etwa eine halbe Stunde, in der ich viel an Kirsten dachte und an die Männer, die sie ermordet hatten. Wenn ich es je schaffen würde, diesen Israelis zu entkommen, schwor ich mir, würde ich Kirstens Mörder verfolgen. Wenn es sein musste, bis nach Amerika. Auf jeden Fall jedoch bis zum Flughafen. Aber zu welchem? Amerikanische Militärflughäfen gab es in Deutschland wie Sand am Meer. Dann fiel mir der Brief wieder ein, den ich in Jacobs’ Handschuhfach gefunden hatte. Der vom Rochester Strong Memorial Hospital mit dem Verzeichnis von Laborgerätschaften, die nach Garmisch-Partenkirchen geliefert worden waren, via Rhein-Main Air Base. Es sprach doch manches dafür, dass sie auch von dort fliegen wollten. Ich sah auf meine Armbanduhr. Es war kurz vor sechs. Das Flugzeug nach Virginia ging um Mitternacht. Endlich hörte ich den Schlüssel im Schloss der Badezimmertür. Auch wenn Zwi keine Pistole auf mich gerichtet hätte – sein Gesicht sprach Bände.
    «Nichts drin, hm?»
    «Tut mir leid», sagte er, «aber was Sie da erzählen, ist einfach zu abwegig. Selbst wenn Sie nicht Erich Grün sind, wären Sie doch immer noch ein SS-Mann. Das haben Sie doch selbst zugegeben. Und dann sind da diese Fotos von Ihnen mit Himmler und Heydrich. Das waren Erzfeinde meines Volkes.»
    «Zur falschen Zeit am falschen Ort», sagte ich. «Ist wohl das Drama meines Lebens.»
    Er trat von der Tür zurück und winkte mich mit der Pistole in den Gang hinaus. «Kommen Sie», sagte er grimmig. «Bringen wir’s hinter uns.»
    Die Pistole unter der Wolldecke fest umfasst, trat ich aus dem Bad und ging vor ihm her. Aaron wartete an der Haustür. Schlomo war draußen. Doch bisher hatte nur Zwi eine Pistole in der Hand. Was hieß, dass ich ihn zuerst erschießen musste. Wir traten hinaus ins Dunkel. Vorausschauend knipste Schlomo die Außenbeleuchtung an, damit sie sehen konnten, was sie taten. Wir trotteten den Hang hinauf, zum Waldrand und dem offenen Grab, das auf mich wartete. Ich hatte mir überlegt, wann ich es versuchen würde.
    «Ich nehme an, das ist Ihre poetische Vorstellung von Gerechtigkeit», sagte ich. «Diese entwürdigenden Hinrichtungen.» Meine Stimme klang furchtlos, aber mein Magen war ein harter Klumpen. «In meinen Augen macht Sie das genauso schlimm wie diese Einsatzgruppen.» Ich hoffte, dass wenigstens einen von ihnen, vielleicht Aaron, immerhin so viel Selbstekel überkommen würde, dass er wegschaute. Ich würde zuerst Zwi erschießen und dann Schlomo. Schlomo war der Einzige von den dreien, den ich wirklich töten wollte. Mein Kopf tat immer noch scheußlich weh. Am Rand meines Grabes blieb ich stehen und sah mich um. Sie waren kaum zwei Meter von mir entfernt, selbst für einen schlechten Schützen leicht zu treffen. Es war eine ganze Weile her, dass
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