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Die Drachenperle (German Edition)

Die Drachenperle (German Edition)

Titel: Die Drachenperle (German Edition)
Autoren: Marlies Lüer
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    Kapitel 1 : Das Land der Taikianer
     
    Das letzte, was der Junge in seiner Not fühlte, war ein durchdringender Schmerz, begleitet von einem grellen Lichtblitz im Inneren seines Kopfes, als er hart auf den Boden stürzte. Nur der Sandboden dämpfte den Aufprall ein wenig. Er hörte Hufgetrappel und dann umfing ihn die samtene Schwärze der tiefen Bewusstlosigkeit.
    Als seine Wahrnehmung zögerlich wieder einsetzte, war ein ihm unbekannter Blumenduft das Erste, was seine Aufmerksamkeit erregte. Der Duft war intensiv, doch gleichzeitig unaufdringlich und verheißungsvoll, er lockte mit einer silbrig-weißen Eleganz sein Bewusstsein an. Fast meinte der Junge eine Heiterkeit im Duft zu hören. Dieser Gedanke wiederum zog noch mehr Aufmerksamkeit nach sich. Er bemerkte einen Widerspruch. Kann man wirklich einen Duft hören? Während er über dieses unerwartete Rätsel nachsann, kehrten ganz langsam Schritt für Schritt weitere Sinne zurück. Er roch, er lauschte, er fühlte einen äußerst unangenehmen Druck unter seinem Rücken, spürte eine beißende Kälte auf der Haut und schmeckte Blut auf seiner Zunge. Blut? Verängstigt riss der Junge seine Augen auf und setzte sich vor Schreck keuchend auf.
    „Was ist passiert? Wo bin ich?“
    Mit einem Schlag war er hellwach und sah einen tief verschneiten Wald um sich herum. Eine Art Glühwürmchen tanzte vor seinem Gesicht. Ungeduldig schlug er es weg und versuchte aufzustehen, fiel aber gleich wieder hin und fühlte erneut diesen gemeinen Druck im Rücken. Unter ihm lag ein Stein. Er rollte sich stöhnend zur Seite und hatte sofort das funkelnde Flatterding vor Augen. Als er seine Hand erhob um das lästige Ding wegzuwedeln, hörte er zuerst ein Kichern und dann eine piepsige Stimme:
    „Bist du dir sicher, dass du deine einzige Rettung aus dem Wald des ewigen Frostes verscheuchen willst?“
    Vor Anstrengung ächzend und wankend kam er hoch und stützte sich an einem Baum ab, dessen unglaubliche Größe er gar nicht wahrnahm. Der Junge blickte sich suchend und vor Kälte zitternd um. Wer sprach da zu ihm?
    „Na ich, du kleiner Narr auf zwei Beinen. Du siehst mich doch vor deinen Augen flirren und kannst mich hören und sogar riechen. Erinnerst du dich?“
    Ein erneuter Schwall des blumigen Duftes überwältigte seine Sinne und er erinnerte sich an seine erste Wahrnehmung, gleich nachdem er aus der samtschwarzen Stille und Geborgenheit aufgetaucht war, gleichsam herausgelockt worden war. Da war doch ein Rätsel gewesen? Sein Kopf tat ihm weh, und er wollte nicht über Rätsel nachsinnen, er wollte seine Ruhe haben, außerdem war ihm übel. Und es war so entsetzlich kalt!
    „Wie heißt du, Zweibeiner?“
    „Ich heiße, ich heiße… äh… “
    „Ja? Ich warte! Würdest du bitte so höflich sein und dich mir vorstellen?“
    Er runzelte angestrengt seine Stirn und blickte zu Boden, als würde sein Name dort geschrieben stehen. Doch leider sah er nichts außer einer Menge Schnee und seine Füße, die leider nicht in warmen Stiefeln steckten, sondern nackt und bloß waren! Schnee? Er wurde noch blasser als er es ohnehin schon war und rief verzweifelt zu der goldgelb flirrenden Erscheinung:
    „Ich weiß es nicht! Ich weiß nicht wie ich heiße, ich weiß gar nichts!“ und wurde wieder ohnmächtig.
     
    Im Wald des Ewigen Frostes stand eine windschiefe Hütte. Sie beherbergte den einzigen Bewohner, der der Kälte des unnatürlichen Winters, der über diesen Teil des Landes gekommen war, beharrlich trotzte. Einer hielt die Stellung. Einer wartete getreu und voller Hoffnung auf den Erlöser aus der Prophezeiung. Es war der Eremit. Seit vielen Jahren lebte er in dieser kleinen Hütte, die einzige, die noch erhalten geblieben war vom Dorf des Waldvolkes. Alle anderen Behausungen in der näheren Umgebung waren aufgegeben, verfallen, vom Frost und seinen zornigen Stürmen zerstört. Allein das letzte der Irrlichter und die Heilerin Darorah und ihre Kinder hatten zu ihm noch Kontakt und versorgten ihn mit Nahrung und Brennholz und was er noch zum Überleben brauchte.
    Das Irrlicht war es gewesen, das ihm den Jungen gebracht hatte. Der Junge mit dem Zeichen des Erlösers! Der Alte konnte sein Glück nicht fassen, dass er tatsächlich nun bei ihm in der Hütte war, dort auf seiner Lagerstatt, eingehüllt in Pelzdecken, in beunruhigend tiefem Schlaf. Er hatte auf der Schulter des Jungen das rote Mal in Form einer Lilie vorgefunden, daneben schienen zwei kleine Flammen zu züngeln,
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