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Grüne Schnüre mit Apfelgeschmack (German Edition)

Grüne Schnüre mit Apfelgeschmack (German Edition)

Titel: Grüne Schnüre mit Apfelgeschmack (German Edition)
Autoren: Angelika Hesse
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1. Kapitel
    Noch zwei Haltestellen, mein Herz klopft bereits wie wild. Ich streiche mir schnell noch einmal durch die nassen Haare und beiße mir hart auf die Lippen. Ich habe mal gelesen, es würde die Durchblutung fördern. So bekäme man auch ohne Lippenstift einen Kussmund. Es regnet und ich habe wie üblich keinen Schirm dabei. Hoffentlich ist der Abdeckstift wasserfest. Mindestens fünf Minuten habe ich heute Morgen auf dem fetten roten Pickel rumgemalt, bis er nicht mehr ganz so sichtbar in meinem Gesicht leuchtete.

Der Bus ist wie immer rappelvoll. Ich könnte einen eher nehmen, um nicht zur Schule hetzen zu müssen. Aber dann würde ich ihn ja verpassen. Er fährt immer mit dem 7.45 Uhr Bus und steigt kurz nach mir „Am Friedhof“ ein. Meistens ist es dann schon so voll, dass man definitiv keinen Sitzplatz mehr bekommt. Er steigt hinten ein, deshalb kämpfe ich jeden morgen um einen Platz am hinteren Eingang. Zehn Minuten Fahrzeit, zehn Minuten Zeit für Träume, und vielleicht ein oder zwei Blicke.

Einmal in seine braunen Augen sehen und der Tag ist gut. Wenn ich ihn nicht sehe, geht meine Laune in den Keller. Dann sehne ich das Ende des Schultages herbei und hoffe, ihn wenigstens auf der Heimfahrt zu treffen.

Das ist immer montags der Fall. Letzte Wochen wollten Ida und Nina direkt nach der Schule in die Stadt zum Bummeln. „Ich kann nicht“, log ich und erzählte was von Hausaufgaben und Einkaufen für Mama. Ich kann es niemanden erzählen, es ist unser Geheimnis.

Ich weiß, dass er mich bemerkt. Zu oft habe ich ihm schon in die Augen gesehen, bin ihm aufgefallen, auch wenn ich erst in der siebten Klasse und fast zwei Köpfe kleiner bin als er. Er ist schon Siebzehn und schon einmal kleben geblieben. Er hasst Französisch und spielt Fußball. Ich kenne sogar seinen Namen. Das alles habe ich im letzten Jahr heraus gefunden, ganz nebenbei.

Einmal war ich ihm schon ganz nah. Ein Bus war nach Schulschluss ausgefallen und der nächste total überladen. Unauffällig hatte ich mich beim Einsteigen in seine Nähe gemogelt. Zehn Minuten stand ich dicht an ihn gedrängt, war total geflasht. Seine Jacke roch frisch gewaschen, er war leicht parfümiert. In einer starken Kurve verlor er die Balance und konnte gerade noch die Haltestange fassen, an der auch ich mich festhielt. Unsere Hände berührten sich für einen kurzen Moment. Ich bin fast kollabiert. Wie in Trance bin ich später nach Hause gelaufen, habe mich auf mein Bett geschmissen und den ganzen Tag Milows „You don´t know“ gehört, es ist jetzt unser Lied.

Einen Tag später verbrachte ich den ganzen Nachmittag in der Parfümerie, bis die Kosmetikziege mich zum xten mal unfreundlich fragte, ob sie mir denn wirklich nicht helfen könne. Es war mir nicht gelungen, sein Parfüm ausfindig zu machen. Nach zwei Stunden gab mein Riechorgan auf. Ich hatte jede verdammte Männerparfüm Probe im Laden durchgeschnüffelt. Seitdem habe ich das Ziel seinen Duft ausfindig zu machen. Es gibt ja schließlich noch genug Drogerien in der Stadt. Wenn mir das gelingt werde ich mein Kopfkissen einsprühen, die Augen schließen, von ihm träumen und seinen Geruch einatmen.

Ich habe ihn schon oft mit seinen Freunden nach der Schule ins „Musikcafè“ gehen sehen. Bisher habe ich mich noch nicht dahin getraut. Dort halten sich nur die Oberstufen vom Gymi auf und einige Neun- und Zehnklässler meiner Realschule, aus meiner Klasse geht da noch niemand hin.

„Nächster Halt Am Friedhof“, ertönt die Durchsage. Ich sehe aufgeregt durch die Glasscheibe. Leute mit Schirmen hasten an die geöffnete Bustür. Die Schirme werden geschlossen und geben die Sicht frei – auf ihn! Ich atme einmal kräftig durch und versuche so entspannt wie möglich auszusehen. Mein Herz schlägt jetzt schon bis zum Hals. Er ist ganz nass, seine braunen Locken fallen ihm widerspenstig in die Stirn. Er streicht sie mit einer seiner typischen Gesten aus dem Gesicht. Ich wünschte, ich könnte auch einmal durch sein volles Haar fahren, ihn berühren, mich an ihn lehnen, ihn vielleicht küssen.

Ich recke meinen Hals ganz gerade hoch, als hätte ich einen Besenstil verschluckt, versuche wenigstens einen Blick von ihm zu erhaschen. Er schaut suchend durch den Bus, streift meinen Blick, mein Herz galoppiert. Ich weiß, ich sollte ihn nicht so anstarren. Aber ich kann einfach nicht anders.

„Nächste Haltestelle Mozartstrasse“. Zum Glück, heute steigt sie nicht ein. Sie ist seine
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