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Höhepunkte

Höhepunkte

Titel: Höhepunkte
Autoren: Unknown
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Henry Miller

    An Samstagen legte ich gewöhnlich mittags die Arbeit nieder und ging entweder mit Hymie Laubscher und Romero oder mit O’Rourke und O’Mara zum Mittagessen. Manchmal gesellte sich Curley zu uns oder George Miltiades, ein griechischer Dichter und Gelehrter, einer der Boten. Hin und wieder lud O’Mara Irma und Dolores ein, uns Gesellschaft zu leisten. Sie hatten sich von einfachen Sekretärinnen im kosmokokkischen Stellenvermittlungsbüro zu Einkäuferinnen in einem großen Warenhaus auf der Fifth Avenue emporgearbeitet. Das Essen zog sich wie gewöhnlich bis drei oder vier Uhr nachmittags hin. Dann machte ich mich mit schleppenden Füßen auf den Weg nach Brooklyn, um Maude und der Kleinen meinen wöchentlichen Besuch abzustatten.
    Da noch Schnee lag, konnten wir nicht mehr unsere Spaziergänge durch den Park machen. Maude hatte zumeist ein Négligé an und einen Bademantel darüber. Ihre langen Haare hingen offen fast bis zu ihrer Hüfte herab. Die Zimmer waren überheizt und mit Möbeln überladen. Gewöhnlich hatte sie eine Pralinenschachtel neben der Couch, auf der sie sich ausruhte.
    Die Begrüßungen, die wir tauschten, hätten einen glauben lassen, daß wir alte Freunde seien. Manchmal war das Kind nicht da, wenn ich kam, sondern in ein Nachbarhaus gegangen, um mit einer kleinen Freundin zu spielen.
    »Sie hat bis drei Uhr auf dich gewartet«, sagte Maude mit leise vorwurfsvoller Miene, aber insgeheim entzückt, daß es sich so ergeben hatte.
    Ich erklärte, daß meine Arbeit mich im Büro festgehalten habe. Daraufhin warf sie mir einen Blick zu, der bedeutete: »Ich kenne deine Ausreden. Warum denkst du dir nicht mal was anderes aus?«
    »Wie geht es deiner Freundin Dolores«, fragte sie plötzlich. »Oder -«, sie streifte mich mit einem scharfen Blick, »- ist sie nicht mehr deine Freundin?«
    Solche Fragen sollten eine zarte Anspielung darauf sein, daß sie hoffte, ich würde die andere Frau (Mona) nicht so betrügen, wie ich sie betrogen hatte. Sie erwähnte natürlich Monas Namen nie, ebensowenig wie ich das tat. Sie sagte »sie« oder »ihr« in einer Art, die unmißverständlich klarmachte, wen sie meinte. Diesen Fragen haftete auch ein Unterton von tieferer Bedeutung an. Da das Scheidungsverfahren sich erst im Anfangsstadium befand und der Bruch dem Gesetz nach noch nicht definitiv vollzogen war, konnte man nicht sagen, was in der Zwischenzeit noch alles geschehen würde. Wir waren wenigstens keine Feinde mehr. Es gab immer noch das Kind zwischen uns - ein starkes Band. Und bis sie ihr Leben anders einrichten konnte, waren beide noch von mir abhängig. Sie hätte gern mehr über mein Leben mit Mona gewußt, ob es glattging, wie wir erwartet hatten, oder nicht, aber ihr Stolz verbot ihr, allzu offene Fragen zu stellen. Zweifellos überlegte sie insgeheim, daß die sieben Jahre, die wir zusammen gelebt hatten, einen nicht ganz unbedeutenden Faktor in dieser allem Anschein nach delikaten Situation darstellten. Eine falsche Bewegung von Monas Seite, und ich würde wieder in meinen alten Trott verfallen. Es war ihr daran gelegen, das Beste aus dieser seltsamen neuen Freundschaft, die wir geschlossen hatten, zu machen. Sie konnte vielleicht den Boden für eine andere und tiefere Beziehung vorbereiten.
    Sie tat mir manchmal leid, wenn diese unausgesprochene Hoffnung sich nur zu deutlich zeigte. Meinerseits hatte ich nie die geringste Angst, ich könnte wieder in den alten Trott des Ehelebens mit ihr zurücksinken. Sollte Mona etwas zustoßen - eine andere Trennung als die durch den Tod konnte ich mir nicht vorstellen -, so würde ich jedenfalls nie wieder ein Leben mit Maude beginnen. Viel wahrscheinlicher war, daß ich mich jemanden wie Irma oder Dolores, ja sogar Monica, der kleinen Kellnerin aus dem griechischen Restaurant, zuwenden würde.
    »Warum setzt du dich nicht neben mich - ich beiße dich nicht.« Ihre Stimme schien von weither zu kommen. Häufig, wenn Maude und ich allein waren, wanderten meine Gedanken fort. Ich reagierte dann wie zum Beispiel jetzt in einem halb entrückten Zustand, wobei der Körper ihren Wünschen gehorchte, während ich sonst abwesend war. Immer entspann sich zwischen uns ein kurzer Willenskampf - oder vielmehr ein Kampf zwischen ihrem Willen und meiner Willenlosigkeit. Ich hatte keine Lust, ihre erotische Phantasie zu kitzeln. Ich war gekommen, um einige Stunden totzuschlagen, und wollte fortgehen, ohne frische Wunden zu öffnen. Gewöhnlich jedoch strich
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