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Nashira

Nashira

Titel: Nashira
Autoren: L Troisi
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PROLOG
    Als er langsam die Augen aufschlug, war um ihn herum nichts als Finsternis. Er erinnerte sich nicht, was geschehen war, wusste nicht, wo er sich befand. Alles war verschwommen, ungewiss. Sein Mund fühlte sich trocken an, wie er es noch nie erlebt hatte, denn dort, woher er kam, gab es Wasser in Fülle. Weshalb brannte ihm die Haut dermaßen, dass sie sich unter den Böen eines heißen Windes schuppte?
    Ich hätte um keinen Preis hierherkommen dürfen, hätte niemals danach streben dürfen, es mit eigenen Augen zu sehen.
    Doch wo dieses »Hier« nun lag, das wusste er nicht mehr, und ebenso wenig, was er so dringend zu sehen gewünscht hatte.
    Immer noch wie blind, richtete er sich langsam auf und tastete mit den Händen über seinen Körper. Alle Glieder waren noch an ihrem Platz, doch schon bei der leisesten Berührung durchfuhr ihn ein höllischer Schmerz. An den Fingern spürte er eine Substanz, die sich wie Sand und Asche anfühlte. verwundert rieb er sich mit den Fäusten die Augen und begann endlich etwas zu erkennen.
    Meile um Meile breitete sich vor ihm eine mit Asche bedeckte Ebene aus. Der trostlos flache, unerbittlich leere Horizont verschmolz mit einem Himmel von kränklich gelber Farbe, und die Luft war mit einem feinen Staub gesättigt. Auch sein Mund war voll davon. Er hustete heftig und schmeckte dabei einen bitteren Geschmack auf der pelzigen Zunge.

    Er stemmte sich hoch und stellte fest, dass er nackt war. Schubweise, wirr und zusammenhanglos kehrten die Erinnerungen zurück, doch dann wusste er wieder, wer er war, und vor allem, wo er sich befand. Doch nichts von dem, was er um sich herum wahrnahm, erinnerte ihn an den Ort, an dem er sich nur wenige Augenblicke zuvor noch aufgehalten hatte. Eben. Wenige Augenblicke hatten gereicht.
    Vorsichtig machte er die ersten Schritte. Seine Füße versanken in Asche und verletzten sich an den Splittern eines unglaublich harten Materials, das in winzigste Stücke zerfallen war und in einem Umkreis von einigen dutzend Ellen um ihn herum verstreut lag. Auch seine Haut war über und über damit bedeckt, und einige Splitter waren ihm sogar tief ins Fleisch eingedrungen. Daher die Schmerzen, daher dieses Brennen auf der Haut.
    So wanderte er weiter und bemühte sich, die heftigen Alarmsignale zu verdrängen, die sein Körper ihm sandte.
    »Ist da niemand?«, rief er schwach. »Lafta?«, fügte er hinzu. Dann erinnerte er sich. Klehr. Und aus voller Kehle brüllte er diesen Namen, während er sich entsetzt umschaute. Andere Namen kamen ihm in den Sinn, mehr und mehr Gesichter tauchten vor seinem geistigen Auge auf. Aber natürlich – die Bewohner der Stadt. Dort, wo er sich befand, hätte eigentlich eine Stadt stehen müssen. Nur sie war es, die er gesucht hatte.
    Furcht befiehl ihn, sein Herz begann zu rasen, und in seinen Schläfen hämmerte das Blut.
    »Klehr!«, schrie er.
    Er rannte.
    Die Stoßwelle muss mich fortgeschleudert haben, offenbar bin ich sogar außerhalb der Hauptstadt gelandet, sagte er sich. Und erinnerte sich genauer: ein greller Blitz, eine wahnsinnige
Hitze. Wahrscheinlich eine Explosion. Jemand musste die Hauptstadt angegriffen haben. Aber wer? Wer nur, wenn doch diese Lande seit Jahrhunderten keinen Krieg mehr erlebt hatten?
    Während er durch die Asche rannte, brüllte er unaufhörlich diesen Namen. Doch nur das erbarmungslose Rauschen des Windes und das Knirschen der Olakite-Kristalle unter seinen Fußsohlen antworteten.
    Er erinnerte sich genau an das Bild der Stadt, wie er sie am vorabend, in Klehrs Armen, von der Terrasse ihrer Unterkunft aus unter sich gesehen hatte
    Nun war nichts mehr davon übrig. Alles schien hinweggespült, eingeebnet, von einem reinigenden Wind verweht.
    Er fiel auf die Knie und nahm den Kopf zwischen die Hände. Das konnte nicht sein, offenbar war er dabei, den Verstand zu verlieren, eine andere Erklärung gab es nicht. Wo war die Stadt abgeblieben? Wo ihre Bewohner?
    Er blickte zum Himmel auf. Eine Geste, die früher unbekannt war, sowohl für ihn als auch für alle anderen Angehörigen seiner Rasse, in letzter Zeit aber immer gebräuchlicher wurde. Da erkannte er durch die Staubwolke und den dichten Nebel, warum das Licht so grell war und den Himmel gut zur Hälfte einnahm. Und endlich begriff er das ganze Ausmaß dessen, was geschehen war.
    Er schrie seinen Schmerz dem Himmel entgegen und hoffte, sich in diesem langen Heulen und Klagen völlig zu vergessen. Da geschah es, dass ihn zum ersten Mal
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