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Irondead: Der zehnte Kreis (German Edition)

Irondead: Der zehnte Kreis (German Edition)

Titel: Irondead: Der zehnte Kreis (German Edition)
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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    Seit nunmehr einem guten halben Jahr versuchte ich, das Zigarrenrauchen einzustellen oder – sollte ich es nicht schaffen – doch wenigstens einzuschränken. Selbstverständlich war mir bisher weder das eine noch das andere gelungen.Ganz im Gegenteil hatte mein Konsum an teuren kubanischen Zigarren sogar noch deutlich zugenommen, seit ich meinen ersten ernst gemeinten Versuch gestartet hatte, enthaltsamer zu leben. Auch meine Idee, von teuren Zigarren auf preiswerten Zigarettentabak umzusteigen, hatte sich als kontraproduktiv erwiesen, denn der günstige Tabak verführte mich trotz seines zweifelhaften Geschmacks zum ständigen Paffen. Also hatte ich irgendwann mein schlechtes Gewissen hintenangestellt und war wieder in meine alten Gewohnheiten zurückgefallen, jeden Tag viel zu viele teure importierte Zigarren zu konsumieren, die ich mir nicht leisten konnte, begleitet von dem einen oder anderen Gläschen einheimischen Whiskys, der mein Budget endgültig sprengte.
    Jetzt war ich froh, mir binnen einer Stunde die dritte Zigarre angezündet zu haben, ohne deren würzigen Rauch ich mich vermutlich schon längst übergeben hätte.
    Vielleicht würde ich das ja trotzdem noch tun, Zigarrenrauch hin oder her, denn der Gestank an dem fast überbordenden Kanal, an dessen Ufer ich meiner Verabredung entgegenstrebte, war einfach unerträglich. Im Wasser trieben nicht nur Abfälle und tote Tiere – Ratten, Mäuse, Katzen und auch der eine oder andere tote Hund –, sondern auch ganz andere Dinge . Erst vor wenigen Minuten hatte die träge Strömung etwas vorübergetrieben, das einem kleinen menschlichen Umriss so sehr geähnelt hatte, dass ich instinktiv davor zurückgeschreckt war, ein zweites Mal genauer hinzusehen.
    Den Geruch des Todes war ich gewohnt, schon durch meinen Beruf, der mich wiederholt an weit üblere Orte geführt und mir Einblicke in die schlimmsten Abgründe der menschlichen Seele aufgezwungen hatte. Nichts von alledem hatte mich jedoch auf diesen Gestank vorbereitet, der meine Sinne verwirrte und in mir ein Gefühl tiefsten Abscheus auslöste.
    Da waren Tod und Verwesung – selbstverständlich –, doch unter all den Nuancen des Vergänglichen verbarg sich noch etwas anderes und womöglich wahrhaft Bedrohliches. Etwas, das in meiner Kehle brannte und mir das Gefühl gab, dass meine Augen ununterbrochen tränten, obwohl das genaue Gegenteil der Fall war und sich jeder Lidschlag so anfühlte, als scheuerte Sand über meine Augäpfel.
    Aber vielleicht spielten mir ja auch nur meine Nerven einen Streich, und vielleicht war ich auch nur diesem Viertel und der ganzen Stadt gegenüber voreingenommen und sah (und vor allem roch) nicht nur das, was um mich herum existierte, sondern vor allem das, was ich zu sehen und zu riechen glaubte.
    Ich war widerwillig und mit dem Gefühl hierhergekommen, mit etwas konfrontiert zu werden, von dem ich eigentlich gar nichts wissen wollte. Meine Verabredung ließ nun schon fast eine Stunde auf sich warten, und das missfiel mir nicht nur wegen der Verspätung immer mehr. Das hier war kein Ort für erbauliche Spaziergänge. Bereits seit einer ganzen Weile mutmaßte ich, dass die Verursacher der gierigen Blicke, die ich wie die Berührung nicht minder gieriger Hände auf mir zu spüren glaubte, nur deshalb noch nicht aus ihren Verstecken hervorgestürmt und über mich hergefallen waren, weil ich ein kräftiger Mann von nicht ganz unbeeindruckender Statur und einer gewissen Ausstrahlung war und mir darüber hinaus auch keine große Mühe gab, den langläufigen Revolver zu verbergen, den ich im Gürtel trug.
    Dabei gab es kaum etwas, das ich mehr hasste als Waffen, denn schließlich hatte ich oft genug gesehen, welchen Schaden sie in den falschen Händen anrichten konnten. Aber ich hasste auch Ratten und Schmutz und menschlichen Abschaum, und von alledem gab es in dieser Umgebung überreichlich.
    Immerhin konnte ich zwei von diesen drei Dingen erschießen, wenn es sein musste.
    Was alles nichts daran änderte, dass mir allmählich ernsthaft übel zu werden begann. Ich schluckte einen Mundvoll säuerlich schmeckenden Speichels hinunter, woraufhin mein Magen endgültig zu rebellieren begann, spuckte ins trübe Wasser des Kanals und schnippte den Zigarrenstummel hinterher. Er erlosch zischend, auch wenn es mir so vorkam, als täte er es längst nicht so schnell wie üblich. Ich ertappte mich dabei, ganz instinktiv einen halben Schritt von der blubbernden Brühe zurückzuweichen, so
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