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Das Intercom-Komplott

Das Intercom-Komplott

Titel: Das Intercom-Komplott
Autoren: Eric Ambler
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alles andere sind Vermutungen.« Er nahm sich eine neue Zigarre aus dem Etui und deutete damit auf mich. »Schlicht und einfach Vermutungen.«
    »Sie dürfen nicht vergessen«, warf ich ein, »daß er in den Zeitungen über die Intercom- Affäre gelesen hatte. Wenn man zwei Stücke eines Puzzlespiels sieht, die zusammengehören könnten, versucht man doch, sie aneinanderzupassen. Und wenn es einem gelingt, sucht man nach anderen Stücken, die sich anschließen. Das hat mit Vermuten wenig zu tun.«
    »Nennen Sie es, wie Sie wollen. Seine Märchenerzählerei war gefährlich – gefährlich vor allem für Brand.«
    »Was haben Sie mit Brand unternommen?«
    »Ich schrieb ihm einen Brief, der ihn auf die Gefahr aufmerksam machen sollte.«
    »Mit Hilfe einer französischen Zehn-Francs-Note?« Er antwortete nicht darauf. »Er schickte mir als Antwort einen Ausschnitt aus einer Zeitschrift, einem Verlegerblatt. Darin ging es um ein Buch, das Latimer gerade schrieb. Brand wollte wissen, ob ich Latimer kannte. Ich mußte es zugeben.« Er schwieg einen Augenblick. »Und in seinem nächsten Brief warf er mir vor, ich habe ihn betrogen. Ich versuchte ihn zu beruhigen, natürlich. Ein kranker Mann …« Er unterbrach sich mit einem Achselzucken und suchte nach seinen Streichhölzern.
    » Was geschah mit Latimer?« fragte ich. Es dauerte lange, bis seine Zigarre angezündet war. »Ich weiß es nicht«, antwortete er schließlich; »ich kann es nur vermuten. Wie ich schon sagte, war Brand krank und wohl auch nicht mehr fähig, klar zu denken. Er hielt es für möglich, man könne Latimer dadurch zum Schweigen bringen, daß …« Er zeichnete mit seinem abgebrannten Streichholz kleine Kreise in die Luft. »Er meinte, man solle ihn dorthin bringen, wohin er gehört. Ich warnte ihn davor, es zu tun, sagte ihm, dies sei nicht der richtige Weg, es gäbe schließlich Unterlagen, an die wir nicht herankonnten, es gäbe Dokumente und Leute, die gegen uns aussagten … Daß Sie hier sind, beweist, wie recht ich hatte. Ich hatte ihm vorgeschlagen, daß wir uns – gemeinsam oder jeder für sich – mit ihm arrangieren sollten, ihn dazu überreden, daß er schwieg, ihm, wenn es sein mußte, Geld anbieten …«
    »Mit Geld wäre es Ihnen nicht gelungen.«
    »Wahrscheinlich nicht. Aber wir hätten ihn wenigstens dazu bringen können, die gefährlichsten Passagen herauszunehmen. Aber wie dem auch sei – Brand traute mir nicht mehr. Er hörte nicht mehr auf mich. Er sagte, er sei viel verwundbarer als ich, er wolle selbst entscheiden. Ich versuchte, ihn zu überzeugen, aber da war es schon zu spät.«
    »Was geschah mit Latimer?« fragte ich noch einmal. Er schenkte noch einmal nach. »Ich nehme an, daß er ihm schrieb, er wolle sich mit ihm treffen, wenn er weiteres Material für sein Buch brauche. Voraussetzung sei jedoch, daß er, Brand, den Ort der Begegnung festlegen dürfe und daß äußerste Diskretion gewahrt werden müsse. Wahrscheinlich sagte er ihm auch, er solle verbreiten, er würde zu einem Interview nach Evère fahren.« Er lachte grimmig. »Ich bin sicher, daß es Latimer Spaß machte, auch einmal bei diesem ›Räuber und Gendarm‹-Spiel mitzumachen.«
    »Gab er ihm noch andere Anweisungen?«
    »Das ist anzunehmen. Sie kennen den Genfer Flughafen. Das neue Abfertigungsgebäude ist ziemlich groß. Wenn man erst einmal sein Flug-Ticket vorgewiesen und die Paßkontrolle passiert hat, achtet kein Mensch mehr darauf, was man tut. Nachdem Latimer den Schlüssel seines Mietwagens abgegeben hatte, war er so gut wie verloren. Brand hatte ihn wahrscheinlich angewiesen, das Gebäude zu durchqueren und es bei einem anderen Parkplatz zu verlassen, wo ihn jemand erwartete, der ihn zum Treffpunkt in Frankreich fahren würde.«
    »Glauben Sie, daß man ihn nach Ferney-Voltaire brachte? Wie Sie wahrscheinlich wissen, gibt es Hinweise dafür, daß er die Grenze in dieser Richtung überschritten hat.«
    »Ich halte es für wahrscheinlich.«
    »Und was kam dann?«
    »Ich weiß es nicht.«
    »Was vermuten Sie?«
    Er seufzte. »Sehr viel von dem, was ich sagte, ist Vermutung. Aber ich sage Ihnen, was ich für das wahrscheinlichste halte. Es macht jetzt doch nichts mehr aus. Brand ist sehr krank. Bis Ihr und Latimers Buch erscheint, wird er nicht mehr am Leben sein.«
    Er schwieg eine Weile. Ich wartete.
    »Wenn es darauf ankommt, jemanden umzubringen, ist jeder ein Spezialist auf einem besonderen Gebiet«, fuhr er bedächtig fort. »Wer mit einem
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