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Das Intercom-Komplott

Das Intercom-Komplott

Titel: Das Intercom-Komplott
Autoren: Eric Ambler
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Mann war, der es in seinem Leben zu etwas gebracht hatte. Zusammen mit ihm kam ein junges Mädchen, das ohne weiteres seine Tochter hätte sein können, was sie jedoch offensichtlich nicht war. Sie hatte langes, lichtbraunes Haar, ein Modigliani-Gesicht und einen schlanken, verführerischen Körper. Die beiden schienen durchaus zusammenzupassen. Wenn sie ein Mädchen war, das gern mit älteren Männern ins Bett ging, so war er der Typ des kerngesunden älteren Mannes, den solche Mädchen gemeinhin im Sinn haben. Allem Anschein nach hatte Oberst Jost ein besseres Mittel gegen die Langeweile des Nichtstuns gefunden als Reden und Lesen von Kriminalromanen.
    Sie waren gerngesehene Gäste. Die Wirtsfrau ging selbst an ihren Tisch, rückte gestenreich Gläser und Servietten zurecht und nahm die Bestellung entgegen. Ich hörte sie, wie sie zur Küche rief: »Zweimal Hummer – aber große Portionen für Señor Siepen und die Señora!«
    Dieser Name nun brachte mich wirklich auf Touren. Latimer mag nicht weniger verblüfft gewesen sein, als ich ihm die Geschichte von Josts Besuch bei Intercom erzählt hatte. Aber gleichzeitig wurde mir auch so manches klar. Jene umfangreiche Streichung im Manuskript sollte nicht mich schützen, sondern Jost.
    Er hatte mich nicht gesehen, was mir nur recht sein konnte. Ich brauchte Zeit zum Nachdenken.
    Werner Siepen aus Hamburg: Ein Aliasname, der offensichtlich bestens durch Formulare und Dokumente gefestigt war. Aller Wahrscheinlichkeit nach hatte Jost jahrelang darauf hingearbeitet, ihn sich anzupassen. Und er paßte ihm. Der bundesdeutsche Reisepaß, der seine Identität bezeugte, war zweifellos hieb- und stichfest, und in Mallorca würde sicherlich nur wenigen auffallen, daß sein Deutsch nicht über den spitzen S-tein s-tolperte – und Anstoß nehmen würde daran erst recht niemand.
    Trotzdem war es unvorsichtig gewesen, diesen Aliasnamen auch in Genf zu benutzen. Soweit es mich betraf, war seine Tarnung durchschaut. Ich hatte nichts anderes zu tun, als ihn das wissen zu lassen – allerdings in einer Weise, die ihn erkennen ließ, daß er von mir nichts zu befürchten hatte, wenn er mir auf einige Fragen antwortete.
    Noch immer hatte er mich nicht gesehen. Ich nippte an meinem Coñac und überlegte, wie ich mich an ihn heranmachen sollte. Leicht würde es nicht sein, das wußte ich. Ich hatte ihn zwar durchschaut, aber trotzdem befand er sich in einer starken Position. Der schwache Punkt bei mir war, daß ich immer noch nicht wußte, wer er eigentlich war. Die es wußten – seine ehemaligen Vorgesetzten –, hatten mittlerweile wahrscheinlich erkannt, daß ihr früherer Nachrichtenchef die eine Hälfte des Teams war, die ihnen in Arnold Bloch begegnet war. Natürlich posaunten sie diese Erkenntnis nicht laut in alle Welt hinaus, solange sie nicht dazu gezwungen wurden; in politischer Hinsicht wäre es äußerst ärgerlich, wenn der Skandal an die Öffentlichkeit dringen würde.
    Oberst Jost hatte auf dem Höhepunkt der Affäre zwei Möglichkeiten: Entweder blieb er im Amt und stellte sich dumm, wenn Verdächtigungen laut und Fragen gestellt wurden; dann mußte er einfach alles abstreiten und darauf hoffen, daß man ihm glaubte. Oder er ging allen Fragen von vornherein aus dem Wege, ließ die Leute mit den zornroten Gesichtern dort, wo sie waren, gestattete ihnen, sich ihr eigenes Urteil zu bilden, und wurde Werner Siepen.
    Wahrscheinlich war es das klügste, was er tun konnte, daß er die zweite Möglichkeit wählte. Dadurch hatte er zwar seine Pension und seinen guten Namen verloren – aber wer braucht schon das Ruhegeld eines Obersten, wenn er eine Million Schweizer Franken auf dem Konto hat, und wem macht es etwas aus, seinen guten Ruf zu verlieren, wenn dieser Verlust niemandem bekannt wird? Jost hatte tatsächlich von mir nicht viel zu befürchten; allenfalls die unangenehme Notwendigkeit, seinen Namen noch einmal zu ändern und einen neuen Ruhesitz zu suchen.
    Er war gerade dabei, seinem Mädchen Wein einzuschenken, als er mich sah und erkannte. Einen kurzen Augenblick trafen sich unsere Blicke, dann fuhr er fort, das Glas zu füllen. Er vergoß keinen einzigen Tropfen. Nervensache.
    Ich überlegte, ob ich zu ihm hinübergehen sollte, aber dann entschloß ich mich doch, darauf zu warten, bis er zu mir kam. Sicherlich würde er wissen wollen, ob ich mich nur zufällig hier aufhielt, und es war besser, ihn den ersten Schritt tun zu lassen. Und wenn der erste Kontakt einmal
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