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Honigkäfer (Käfer-Reihe) (German Edition)

Honigkäfer (Käfer-Reihe) (German Edition)

Titel: Honigkäfer (Käfer-Reihe) (German Edition)
Autoren: Aurélie Engel
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    1
    Die Entführung
     
    Jeanne Clevaux fluchte leise, aber ausgiebig. Zitternd zog sie sich das mottenzerfressene Cape enger um ihren Körper und die Kapuze noch tiefer in die Stirn, um sich vor dem herabprasselnden Regen zu schützen. Als wäre ihr nicht schon genug Unheil widerfahren in den letzten Tagen, hatte sie nun auch noch das dringende Gefühl, dass sie an der letzten Straßengabel falsch abgebogen war und sich nun verlaufen hatte.Dabei hatte ihre Reise so angenehm begonnen!Sie sollte ihre Großmutter ihn Cassis besuchen, die erkrankt und nun auf Hilfe angewiesen war. Jeanne war dies wie ein Glücksfall erschienen, denn nichts war ihr lieber, als ihrer kalten Mutter und dem widerwärtigen Stiefvater zu entkommen. Also hatte sie eine alte lederne Reisetasche gepackt, die Kutsche nach Marseille im Voraus bezahlt und von der Mutter ein paar Francs für die Weiterfahrt nach Cassis erhalten. Unbedarft und den Kopf voller Reiselust hatte Jeanne das große, schwankende Gefährt betreten. Bis Marseille war auch alles ganz wunderbar verlaufen, bis sie feststellen musste, dass ihr jemand ihr Geldsäckchen gestohlen hatte. Ohne die Francs blieb Jeanne nichts anderes übrig, als zu laufen und mit ihrer Unerfahrenheit und einem nicht untergehen wollenden Optimismus hatte sie beschlossen, einfach den Schildern am Weg zu folgen. Irgendwann würde sie schon ankommen! Zwei Tage lang war es gutgegangen, dann hatte Jeanne Blasen an den Füßen, einen knurrenden Magen und bei Sonnenuntergang hatte zwei Wanderhuren mit ihrem Stöcken auf sie eingeschlagen, bis sie aufgeben musste und ihnen ihre gut gefüllte Reisetasche überließ. Die Frauen hatten sie auf den Boden gestoßen und hämisch mit Dreck beworfen, sodass sie nun vermutlich aussah, wie eine erdverkrustete Landstreicherin. Jeanne besaß also gar nichts mehr, außer den schmutzigen Kleidern, die sie am Leib trug und den Blasen an ihren geschundenen Füßen.  
    Der Regen wurde immer stärker, der Weg verlief sich irgendwann zu einem grasbewachsenen Trampelpfad und die tiefhängenden Bäume drohten, auch noch das letzte Licht des Mondes vor ihr abzuschirmen. Jeanne war den Tränen nahe.
    Sie bahnte sich ihren Weg bis zu einer Lichtung. Aufgeschreckte Hasen huschten davon und langsam ging sie über das feuchte Gras, während das Leder ihrer Stiefel mehr und mehr durchweichte. Als sie meinte, die Mitte erreicht zu haben, hob sie den Kopf und formte ein stummes Warum? zum Mond hinauf.
    Ein dunkles Lachen erklang zwischen den Bäumen, begleitet von dem Geräusch herannahender Pferdehufe und zerbrechendem Unterholz. Jeannes Kopf flog suchend herum. Als sie niemanden ausmachen konnte, floh sie von der Lichtung und stürzte über niedrige Büsche und Sträucher tiefer in den Wald hinein. Immer wieder verhakten sich ihre langen Röcke in den dornigen Ästen, zerrten an ihr und zerrissen den Saum ihres Capes. Jeanne keuchte, weil es so mühselig war, voran zu kommen und sie unter dem stramm geschnürten Mieder kaum Lauft bekam. Wieder erklang ein Lachen. Und dieses Mal schien es schon deutlich näher!
    Jeanne wollte nicht wissen, um wen es sich dort handelte und warum er Jagd auf sie machte. Sie war sich nur sicher, dass sie auf jeden Fall versuchen musste, vor ihm zu fliehen. Hufe brachen dicht hinter ihr durch das Gehölz und wieder kam das Lachen näher. Jeanne schrie und duckte sich, als ein riesiges schwarzes Pferd hinter ihr erschien und dann zu einem Satz über ihre zusammengekauerte Gestalt ansetzte. Sie spürte den scharfen Lufthauch, als Hufe nur Zentimeter über ihren Kopf hinweg flogen. Jeanne prallte auf die Knie, ihre Hände rissen sich an Dornen auf und doch rappelte sie sich auf und lief in die genau entgegengesetzte Richtung zurück. Wieder erklang dieses beängstigende Lachen, als der Reiter wohl sein Pferd wendete, um ihr erneut zu folgen. Ein dünner Ast schlug ihr im Laufen vor das Gesicht und Jeanne schmeckte Blut im Mund. Tränen schossen ihr in die Augen, brannten auf ihren zerkratzen Wangen und tropften dann von ihrem Kinn. Als sie hörte, wie das Geräusch der Hufe sie wieder einholte, jammerte sie und versuchte, noch schneller voran zu kommen. Sie knickte um, als ihr rechter Fuß in einen Hasenbau einbrach und der Schmerz in ihrem Knöchel ließ sie erneut aufschreien. Und dann war er hinter ihr. Sie hörte den schnaubenden Atem des Pferdes dicht hinter sich, als jemand in ihren Nacken griff und sie von den Füßen riss. Jeannes hoher Schrei erstarb
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