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Das Intercom-Komplott

Das Intercom-Komplott

Titel: Das Intercom-Komplott
Autoren: Eric Ambler
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Messer umzugehen versteht, wird diese Waffe immer einer Pistole vorziehen. Der Giftmischer wird nie jemanden erwürgen, der Würger wird nie einen anderen erschlagen. Im Krieg, wenn das Morden erlaubt ist und die Wahl der Waffe freisteht, ist es nicht anders. Der Soldat benutzt die Waffe, die ihm am meisten liegt; der Befehlshaber verläßt sich auf die Waffengattungen und Taktiken, die seinem Temperament am ehesten entsprechen – in der Regel diejenigen, mit denen er bisher die größten Siege errang. Brand ist keine Ausnahme von dieser Regel. Brands Taktik bestand darin, seinen Gegner aus dem Hinterhalt zu überfallen und unter die Erde zu bringen.«
    »Unter die Erde?«
    »Ursprünglich war Brand Pionier. Er wußte, wie man mit Dynamit und hochbrisanten Sprengstoffen umgeht. Als sein Land von den Deutschen besetzt war, gelang es ihm einmal, eine gegnerische Nachschubkolonne dadurch zu beerdigen, daß er einen ganzen Hügel mit Dynamit auf sie herabsprengte. Das Gelände war für eine solche Operation wie geschaffen, und es gelang ihm, mit dieser Methode noch öfter zum Erfolg zu kommen. Einmal begrub er einen ganzen Zug dadurch, daß er einen Tunnel sprengte. Er sagte nie, daß er gegen einen Gegner kämpfen müsse, sondern daß er ihm sein Grab schaufeln wolle.«
    »So ungewöhnlich ist diese Redensart nun aber auch nicht.«
    Er schüttelte den Kopf. »Für Brand bedeutete es keine Redensart. Er dachte tatsächlich so. Ich weiß es. Als wir vor ein paar Jahren einmal von Brüssel nach Köln fuhren, wurden wir wegen einer Baustelle aufgehalten. Man war gerade damit beschäftigt, eine Brücke für eine Autobahnüberquerung hochzuziehen, und wir sahen zu, wie das Betonfundament für einen Pfeiler gegossen wurde. Die Grube reichte bis tief in die Erde, die Moniereisen verliefen kreuz und quer wie ein Käfig. Es war imposant zu beobachten, wie die Arbeiter den Beton hineingossen – Tonnen um Tonnen. Brand war fasziniert. Als wir weiterfuhren, sagte er etwas, das ich nie vergessen werde: ›Wenn ich je einmal jemanden beiseite schaffen müßte, würde ich ihn zu einer solchen Baustelle bringen.‹« Und dabei warf er mir einen bedeutungsvollen Blick zu. »An diese Worte habe ich oft denken müssen, seit Latimer verschwunden ist. Zwischen Ferney-Voltaire und Straßburg gibt es bestimmt viele Baustellen. Viele Gräber, die auf ihren Toten warten.«
    Ich antwortete nicht. Ich fühlte mich nicht wohl.
    Und er muß es mir angesehen haben. »Machen Sie sich deswegen keine Sorgen, Mr. Carter. Brand war kein Barbar. Sicher kein Anfänger. Wenn er es wirklich getan hat, dann bestimmt rasch und schmerzlos; Latimer wird keine Schmerzen erlitten haben.«
    Das Mädchen kam wieder auf die Terrasse. Es trug jetzt eine lose Strandjacke; in der Hand hatte es eine Taschenlampe. Sie sagte, sie wolle noch einmal schwimmen gehen.
    Als sie an Jost vorbeiging, hielt er sie am Ärmel fest. Aus der Art, wie sie sich abwandte, schloß ich, daß sie sonst nichts am Leibe hatte.
    »In ein paar Minuten komme ich nach, mein Schatz«, sagte er. »Heute abend ist es so warm, daß Herr Carter bestimmt nichts dagegen hat, zu Fuß zum Hotel zurückzugehen.«
    »Nicht im geringsten«, antwortete ich, und ich log nicht einmal. Sehr viel mehr konnte ich aus Jost ohnehin nicht mehr herausbekommen. Aber ein paar Fragen wollte ich ihm doch noch stellen.
    Als das Mädchen gegangen war, begann ich deshalb von neuem: »Warum haben Sie Skriabin in das Bulletin über den Seismographen hineingezogen? Oder war es Brand, der damit dem Russen ein Grab schaufeln wollte?«
    Er kicherte. »O nein, das war meine Idee. Skriabin war KGB-Mann in Stockholm, und er hat unseren norwegischen Freunden viel Ärger bereitet. Ich wollte erreichen, daß ein wenig Wirbel in der Öffentlichkeit ihn zur Räson bringen sollte. Seine Vorgesetzten verfrachteten ihn auch prompt nach Syrien. Sie müssen ziemlich verärgert gewesen sein.«
    »Und wie sie es waren«, antwortete ich. »Das weiß ich bestimmt. Und einen Teil ihres Ärgers ließen sie mich spüren.«
    Seine Augen weiteten sich vor Erstaunen. »Aber Mr. Carter, Sie werden sich doch nicht beklagen wollen!« Er breitete seine Arme aus, als wolle er mich segnen. Eine Geste, die ich bei ihm schon einmal erlebt hatte. »Denken Sie doch daran, was Ihnen unsere Zusammenarbeit eingebracht hat.«
    »Eingebracht?« Der Brandy wollte mir im Halse hängenbleiben.
    »Aber gewiß doch.« Er beugte sich vor und schlug mit dem Handrücken gegen
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