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Herz an Herz

Herz an Herz

Titel: Herz an Herz
Autoren: Sofie Cramer , Sven Ulrich
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21. Juli 2010
    (irgendwann nachts, stocknüchtern)
     
    Liebe Sara Becker,
     
    ich würde mich zwar ungern als Flasche bezeichnen, aber ein wenig angeschlagen bin ich mit Sicherheit. Das liegt an Ihrer Post, auf die ich ziemlich unvermittelt getroffen bin, als ich mich mit fröhlichem Geschrei in eine harmlos aussehende Ostsee-Welle stürzte und dabei von diesem harten Etwas getroffen wurde, das sich beim Auftauchen als «kackbraunes Altglas» entpuppt hat.
    Haben Sie schon mal eine Flasche im Sturzflug an den Kopf bekommen? Nicht? Ich kann es Ihnen nicht empfehlen. Einige Unwissende behaupten zwar, ich hätte einen harten Sturschädel, aber er ist wohl nicht hart genug.
    Nachdem ich also eine Weile im Wasser stand, um meinen Kopf abzutasten (kein Blut), musste ich dann auch noch das Glas für denjenigen recyceln, der dazu offenbar zu faul war. Mann, war ich sauer.
    Gerade will ich das Ding wegwerfen, da fällt mir auf, dass es keine gewöhnliche Flasche ist, sondern dass etwas drinsteckt.
    Na ja, lange Rede, kurzer Sinn:
    Da auch Männer ein Herz haben und es Ihnen offenbar gerade nicht so gut geht, darf ich Ihnen also hiermit versichern: Meine Beule ist schon fast verheilt, und Ihr Attentat sei Ihnen verziehen. Machen Sie sich bitte keine Sorgen mehr.
     
    Ansonsten hoffe ich für Sie, dass auch Ihr Schädel nicht mehr brummt (vom Alkohol) und sich das mit der Einsamkeit erledigt hat.
     
    Mit herzlichen Grüßen
    Ihr Berti Huber
     
    P.S. Sie haben eine sehr schöne Handschrift.
    ***
    1. 8.
    (spätabends, fast nüchtern, trotzdem leicht verwirrt)
     
    Sehr geehrter Herr Huber!
     
    Durch den menschenverachtenden Umstand, allein in die Gesellschaft abartig glücklicher Hochzeitsgäste gezwungen worden zu sein, geriet ich in eine Notsituation, der nur mit Prosecco zu entrinnen war.
    Dass diese mich jedoch zu einer gefährlichen Straftäterin gemacht hat und ich infolge geistiger Umnachtung schwere Körperverletzung und illegale Altglasentsorgung verübt habe, verdirbt mir glatt die Lust, mich weiterhin als Opfer alberner Hochzeitsspielchen zu bemitleiden. Stattdessen bitte ich Sie mit diesem Gnadengesuch um Verzeihung, obwohl Sie diese bereits freundlicherweise vorweggeschickt haben. Und ich hoffe inständig, dass mich beiliegendes Präsent für alle Zeiten von meiner schweren Schuld befreien möge.
     
    Mit freundlichen Grüßen
    S. Becker
     
    PS . Sie werden mir ferner verzeihen, dass ich Ihnen für Ihre Handschrift kein Kompliment machen kann. Wohl aber für Ihre Gabe, mir mit Ihren Worten ein kleines Schmunzeln abgerungen zu haben.
    ***
    11. August 2010
    (morgens, verschlafen, aber kopfschmerzfrei)
     
    Liebe Sara Becker,
     
    dann stimmt es wohl doch, was meine Freunde so im Allgemeinen über die Norddeutschen lamentieren, nämlich dass sie ein bisschen steif seien. Oder warum so plötzlich die förmliche Sprache, nachdem Sie in Ihrem ersten Brief doch eher locker waren? «Stattdessen bitte ich Sie mit diesem Gnadengesuch um Verzeihung …» Sagt man das im Norden so?
    Es könnte natürlich auch sein, dass Sie meinen Brief zu ernst genommen haben und ich Sie mit meiner Beule verschreckt habe. Moment! (Ich gehe ins Nebenzimmer, krame die Kopie meines Briefes an Sie heraus, lese ihn noch einmal genau durch und schüttele den Kopf. So ernst ist er doch gar nicht. Ich gehe zurück zum Schreibtisch.) Nein, mein Brief war durchaus humorig gemeint, vielleicht fiel er ein bisschen wehleidig aus, aber Humor war drin. Man konnte durchaus erahnen, dass ich nicht sauer war. Aber zur Sicherheit noch mal: Ich fordere kein Schmerzensgeld und verklage Sie auch nicht wegen Umweltverschmutzung. Allerdings mache ich Kopien von Briefen, die ich an fremde Frauen schicke. (Hups, war es schlau, das zu schreiben?)
     
    Danke jedenfalls für die Kopfschmerztabletten. Ich nehme zwar neuerdings immer die, die man ohne Wasser gleich runterschlucken kann, aber es hat mich trotzdem gefreut.
     
    Ich kann übrigens nicht teilen, was meine Freunde über die Norddeutschen sagen. Ich finde sie weder steif noch distanziert, sondern rundweg sympathisch, offen und herzlich. So offen und herzlich, wie ich Ihre Flaschenpost fand. Die Norddeutschen gefallen mir sogar so sehr, dass ich meinen Urlaub dort verbracht habe (wie in meinem letzten Brief angedeutet, aber vielleicht ist das durch meine Handschrift, die offenbar nicht so gut ankam, ebenso verloren gegangen wie mein Humor?). Andere fahren alleine nach Thailand, ich an die Ostsee. Es war
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