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Das geheime Leben des László Graf Dracula

Das geheime Leben des László Graf Dracula

Titel: Das geheime Leben des László Graf Dracula
Autoren: Roderick Anscombe
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Worte, wie von einer Mutter, die ihr Kind beruhigt, allerdings hatte man den Eindruck, als würde sie mit einem Zauberspruch belegt, denn mit einemmal schien sie das Bewußtsein zu verlieren. Das soll heißen, daß ihre Augen offen und auf das Gesicht des Meisters gerichtet blieben, so wie vorher, daß sie aber keinen eigenen Willen mehr zu haben schien, ihm völlig zugewandt war; selbst ihre innersten Gedanken schien er zu beherrschen.
    »Schlafen Sie jetzt«, hörte ich ihn murmeln, und dann schlössen sich unendlich langsam und leise bebend ihre Augenlider. Ihr Körper erzitterte, und es waren wie die Todeszuckungen eines kleinen Tieres. Madame Verdun stand aufmerksam und reglos hinter dem Stuhl.
    Charcot drehte sich wieder zu uns um, so, als hätte er seinen Vortrag gar nicht unterbrochen gehabt. »Ich möchte Ihnen ein Phänomen zeigen, das Ihnen höchstwahrscheinlich nicht bekannt ist. Meines Wissens ist es in der wissenschaftlichen Literatur noch nie beschrieben worden. Dieses Phänomen weist ähnliche Merkmale wie die Suggestibilität der Hysterie, die traumatische Amnesie und die psychogene Paralyse auf, und doch übertrifft es alle drei in einem erheblichen Maß.«
    Die Männer um mich herum beugten sich mit noch größerer Aufmerksamkeit nach vorn. Stacia befand sich in einem wunderbaren Schlaf. Auf ihrem Gesicht lag der Ausdruck unendlicher Ruhe, ihre Stirn war klar und ungetrübt.
    »Bei Bewußtsein zu sein heißt, zu wissen, was man weiß«, erklärte Charcot.
    »Ohne Bewußtsein zu sein heißt, nichts zu wissen. Nichts wahrzunehmen. Sich an nichts zu erinnern. Unser Verständnis verschließt sich der Möglichkeit einer mittleren Ebene, die zwischen dem Bewußten und dem Unbewußten liegt und nicht reine Verwirrung oder Delirium darstellt.« Er drehte sich wieder zu Stacia um und schien in Gedanken verloren. »Und doch... nun, wir werden ja sehen.«
    Er riß sich von seinen Träumen los. »Aber Sie müssen es sehen«, erklärte er.
    »Denn ich glaube nicht, daß eine Beschreibung allein genügt, um Sie zu überzeugen. Das kann nur eine Demonstration bewirken.«
    Er trat auf die Seite, damit wir jede Bewegung sehen konnten. »Stacia!« rief er sanft.
    »Mein Herr«, antwortete sie leise. Es war nur ein Hauch, den aber jeder in dem totenstillen Saal vernahm.
    »Gleich werde ich Ihnen eine einfache Anweisung geben.« Mit noch immer geschlossenen Augen drehte sie den Kopf auf die Seite, als würde sie, allein in einem dunklen Raum, dem Ursprung der Worte nachgehen, die aus einer anderen Welt kamen. »Wenn Sie aus dem Zustand des Wachschlafs zurückkehren, werden Sie sich wieder unter Kontrolle haben, aber...«, die Stimme des Professors wurde jetzt tiefer und hallte vor Eindringlichkeit, »Sie werden sich nicht daran erinnern, was geschehen ist, während Sie geschlafen haben.«
    »Ich verstehe.«
    »Öffnen Sie jetzt die Augen.«
    Stacias kornblumenblaue Augen starrten ohne zu blinzeln geradeaus, während sie geduldig auf die Anweisung wartete. Sie besaß eine hinreißende blasse Schönheit, und ich schätze, ich war nicht der einzige, der von der zuversichtlichen Stille ihres Gesichts, von der Fülle ihres flachsfarbenen Haares, das ungeflochten und lose über ihre Schultern fiel, und von den zarten nackten Schultern entzückt war.
    »Rechts von Ihnen sehen Sie das Lesepult.« Ihr Kopf drehte sich wie der eines mechanischen Spielzeugs nach rechts. »Und darauf eine Wasserkaraffe und ein Glas. Wenn Sie das Zeichen bekommen, werden Sie aufstehen und sich ein Glas Wasser aus der Karaffe eingießen und es austrinken. Und zwar sofort.
    Egal, was passiert.«
    Charcot machte eine Pause, und seine Augen glitten über die Gesichter vor ihm und blieben auf meinem haften.
    »Ihr Name?« fragte er mich.
    Ich sagte ihn ihm und hörte die vertrauten Silben in dem amphitéâtre, als wären sie mir völlig fremd, als kämen sie von einer anderen Person.
    »Zu passender Gelegenheit werden Sie während der Vorlesung die Hand heben und eine Frage stellen.«
    Ich nickte zustimmend, traute meiner eigenen Stimme nicht.
    »Dracula«, sagte er nachdenklich und zog jede Silbe in die Länge, so daß es wie ein kurzer Satz in einer anderen Sprache klang. Ich beobachtete sein Gesicht, um darin irgendeinen Ausdruck zu entdecken, der auf eine Erinnerung an meinen Vater hindeutete, aber ich könnte mir denken, daß ihn höchstens die Musikalität unseres Familiennamens amüsiert hat.
    »Also gut«, sagte er, und ich hatte sofort das
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