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Das geheime Leben des László Graf Dracula

Das geheime Leben des László Graf Dracula

Titel: Das geheime Leben des László Graf Dracula
Autoren: Roderick Anscombe
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folgte das Krachen eines Gewehrs.
    Obwohl alle sich um den Tisch versammelt hatten und auf meinen Bericht warteten, sah ich mich außerstande, die Greueltaten von heute morgen vor ihnen auszubreiten. Andererseits haben sie zweifellos ihre Informationsquellen unter der Dienerschaft und dürften alle möglichen Gerüchte gehört haben. Folglich herrschte eine angespannte Atmosphäre.
    »Was war das für ein Knall?« fragte Lothar.
    »Nur Jakob, nehme ich an«, brummte ich. »Wahrscheinlich hat er wieder einen Wilderer erwischt.«
    »Aber es waren zwei Schüsse«, ließ sich Stephanie vernehmen, die über ein weitaus feineres Gehör verfügt als die anderen.
    »Ein Echo«, meinte ich achselzuckend. »Eine der Besonderheiten dieses Tals.«
    Als Brod mir die Hammelkeule servierte, beugte er sich so tief herunter, daß ich seinen Atem spürte. Seit seiner Entlassung aus dem Gefängnis ist er verdächtig besorgt um mich. Wann immer mein Blick zufällig auf ihn fällt, sind seine Augen starr auf mich gerichtet. Er ist ein geduldiger Mann.

    Nach dem Essen wollte Lothar mit mir Billard spielen, aber ich war zu unruhig.
    Ich schloß einen Kompromiß, indem ich mit ihm eine Zigarre in der Bibliothek rauchte.
    »Verdammt ungewöhnliche Zigeuner«, bemerkte er.
    »Ich kam nicht dazu, darauf zu achten«, wehrte ich ab.

    »Ist Ihnen denn nicht aufgefallen, daß sie Säbel trugen?«
    »Schon möglich.«
    »Jeder einzelne von ihnen. Wie die Kavalleristen.« Und als ich nichts entgegnete, fügte er hinzu: »Jede Wette, daß wir mit dem Haufen schon mal das Vergnügen hatten, und zwar bei unserem Ausflug letzte Woche.«
    Ich untersuchte stumm die Spitze meiner Zigarre.
    »Sie wollen mir nicht erzählen, was hier eigentlich gespielt wird ?«
    »Wir werden es tun«, sagte ich.
    »Was tun?«
    »Sie haben gesagt, Sie würden mitkommen, wenn es soweit ist.«
    »O ja.«
    »Sie haben es sich doch nicht anders überlegt?«
    »Nein.«
    »Dann gehen wir heute nacht hinaus.«
    »Warum so bald?«
    »Bekommen Sie etwa doch kalte Füße? Na gut, das ist nicht jedermanns Sache.«
    »Nein, ganz und gar nicht. Sie können auf mich zählen.«
    »Wissen Sie überhaupt, wie gefährlich es ist?«
    »Das gehört mit zum Spaß. Die Gefahr macht den Reiz doch erst aus.«
    »Und Sie akzeptieren das?«
    »Ja.«
    »Sie werden sich bewaffnen müssen.«
    »Darauf war ich nicht vorbereitet. Können Sie mir eine Pistole leihen?«
    »Feuerwaffen nehmen wir auf keinen Fall mit. Wir müssen jeden Lärm vermeiden. Ich habe Ihnen doch gesagt, daß es gefährlich ist.« »Sie sind der Experte. Was schlagen Sie also vor?« »Suchen Sie sich eins von den Messern aus, die im Billardzimmer an der Wand hängen. Kein allzu langes. Lieber etwas Handliches, eines, das Sie nicht behindert.«
    »Wie Sie meinen. Aber sagen Sie mir doch, worum es geht.«
    »Es sind noch andere darin verwickelt.«
    »Das habe ich mir schon gedacht.«
    »Und Sie werden mit Brod fertig werden müssen.«
    »Er gehört dazu? Na ja, eigentlich wundert es mich nicht, wenn ich daran denke, wie eigenartig er Sie die ganze Zeit anstarrt. Ist er der Wachtposten?
    Oder spielt er eine... tragende Rolle?«
    »Darüber sprechen wir nicht. Er folgt mir. Was er hinterher tut, geht mich nichts an. Aber er wird Sie daran hindern wollen, das Haus zu verlassen.
    Deshalb sollten Sie meinen Schal und Umhang tragen. Kommen Sie am besten die Haupttreppe herunter; er hält vor der Vordertür Wache. Wenden Sie ihm den Rücken zu. Auf keinen Fall dürfen Sie mit ihm sprechen. Sie kommen direkt hierher und gehen durch die Terrassentür in den Garten. Sie treffen mich um elf in der Laube.«

    Stephanie hat uns allen eine gute Nacht gewünscht. Ihre Augen blitzten, und ihre Wangen waren gerötet. Sie ist aufgeregt und hat Angst. Als sie zu mir kam, flüsterte sie: »Heute nacht.«

    NACHT

    Wird Brod Lothar hinauslassen? So ungeduldig er auch ist, dem Mann ist alles zuzutrauen. Ich hatte das Skalpell an seinen Platz in der Schachtel gelegt, und jetzt sehe ich, daß es schon wieder fehlt.
    Wird Brod die Gelegenheit im dunklen Flur ergreifen? Wird er die Gestalt in meinem Umhang und weißen Schal erstechen, wenn sie ihm arglos den Rücken bietet? Andererseits ist Lothar scharfsinnig genug, um sich nicht so ohne weiteres abschlachten zu lassen. Morgen früh könnte es durchaus auch Brod sein, den das Zimmermädchen mit dem Gesicht auf dem Boden auffindet.
    So, wie ich Brod kenne, wird er freilich eine günstigere Gelegenheit
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