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Das geheime Leben des László Graf Dracula

Das geheime Leben des László Graf Dracula

Titel: Das geheime Leben des László Graf Dracula
Autoren: Roderick Anscombe
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es ein Liebhaber hätte tun sollen. »Brod wird am Fuß der Haupttreppe Wache halten.«
    »Dann verbieten Sie es ihm doch einfach.«
    »Seit der Sache mit dem Vampir verbringt er jede Nacht dort. Er würde Verdacht schöpfen, wenn wir das von heute auf morgen änderten.«
    »Sie können ihm doch sagen, daß das seit Pater Gregors Verhaftung nicht mehr nötig ist.«
    Draußen hörte ich jemanden durch die Vorhalle gehen.
    »Niemand in diesem Haus glaubt auch nur im entferntesten daran, daß Gregor der Mörder sein soll«, sagte ich schnell.
    So hatte sie sich das nicht vorgestellt. Sie runzelte verärgert die Stirn.
    Ich ergriff wieder ihre Hand. »Tun Sie mir den Gefallen?«
    Ich drückte ihre Finger auf meine Lippen, sah ihr tief in die Augen.
    Allmählich hellte sich ihre Miene auf, das Vertrauen kehrte zurück, und jetzt funkelten auch ihre Augen wieder.
    »Morgen«, flüsterte sie und war verschwunden.

    13. APRIL 1888, NACHMITTAG

    Ich bin kaum noch zum Schreiben fähig. Das Unglück, das uns befallen hat, das Grauen, das ich mitansehen mußte, übersteigt mein Fassungsvermögen. Und doch weiß ich, daß es keine Möglichkeit gibt, das Geschehene zu verarbeiten, außer durch Schreiben. Nur weil ich meine Gedanken in diesem Tagebuch festhalte, vermag ich ein gewisses Maß an Objektivität zu erreichen, die Ereignisse in meinem Leben mit einem bestimmten Abstand zu betrachten. Und jetzt habe ich das nötiger denn je, wenn ich nicht wahnsinnig werden will.
    Weil noch immer kein Ende von Gregors Haft abzusehen war, herrschte beim Frühstück eine angespannte Atmosphäre.
    »Manchmal sind die Menschen nicht das, was sie zu sein scheinen«, bemerkte Lothar. »Ja, ich glaube sogar, daß sie es in den seltensten Fällen sind.«
    Elisabeths Augen blitzten auf. »Schon allein der Verdacht, Gregor könnte ein so gemeines Verbrechen begangen haben, ist eine bodenlose Unverschämtheit!«
    »Sieht so aus, als säße der Inspektor ganz schön in der Patsche. Der Pöbel schreit nach dem Blut des Paters, und die Mächtigen hier oben verlangen seine Freilassung.«
    »Ich fürchte, die nächste Beförderung von Kraus wird nicht ganz seinen Wünschen entsprechen«, sagte Elisabeth. Noch nie hatte ich sie so schroff erlebt.
    »Nach Herzegowina?« schlug Lothar vor. »Oder die Insel Krk?«
    »Es ist nicht Kraus' Fehler«, wagte ich einzuwerfen.
    »Wessen Fehler denn sonst?« schnappte Elisabeth zurück. Zum erstenmal seit Gregors Festnahme brachte sie es über sich, mir wieder in die Augen zu sehen, doch ihr Gesicht war von Haß und Verachtung verzerrt.

    »Ich glaube, er tut nur seine Pflicht«, sagte ich. »Im Moment deuten ja auch alle Indizien auf Gregor. Aber sobald sich die Beweislage ändert, wird er ihn bestimmt freilassen.«
    »In der Stadt geht das Gerücht, Sie hätten Kraus angeboten, anstelle des Paters ins Gefängnis zu gehen, bis seine Unschuld bewiesen ist«, bemerkte Lothar beiläufig.
    »Das stimmt nicht ganz«, erwiderte ich.
    Elisabeth starrte stumm auf ihren Teller. Inzwischen haßt sie mich. Sie wünscht sich, ich wäre tot, dessen bin ich mir sicher.
    »Wie ich gehört habe«, sagte Lothar gedehnt, »haben Sie die Morde praktisch gestanden.« Er legte eine Pause ein, ließ die Erklärung wie einen Köder vor mir hin und her baumeln. »Aber die Behörden wollten nicht zulassen, daß Sie sich für Ihren Freund opfern.«
    »Ja«, seufzte ich. »Das habe ich dem Inspektor gesagt.«
    »Aber er hat dir nicht geglaubt«, höhnte Elisabeth.
    »Nein«, erwiderte ich ruhig.
    »Ich nehme an, deine Argumente waren nicht sehr überzeugend?«
    Darauf hatte ich nichts mehr zu sagen.
    »Trotzdem, es war eine großartige Geste«, sagte Lothar nicht minder ironisch.
    Er genoß die Situation so sehr, daß ich fürchtete, er würde mir zuzwinkern.
    Ich wechselte das Thema. »Heute morgen habe ich eine Nachricht von Kraus bekommen. Er sorgt sich um Gregors Sicherheit und möchte ihn noch heute nach Kolozsvar überführen.«
    »Kann ich ihn vorher noch besuchen?« fragte Elisabeth.
    »Ich glaube nicht, daß das eine gute Idee wäre«, meinte ich. »In der Stadt gärt es. Gestern nachmittag hat es vor der Polizeiwache wieder einen Aufruhr gegeben. Das ganze Gesindel hat sich zusammengerottet.«
    »Kann ich ihn wenigstens am Bahnhof sehen? Es ist ja vielleicht das letzte Mal.«
    »Die Sache ist vertraulich, aber er wird nicht zum Bahnhof gebracht. Dort hängen zu viele üble Gestalten herum. Kraus hat veranlaßt, daß der Zug
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