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Das geheime Leben des László Graf Dracula

Das geheime Leben des László Graf Dracula

Titel: Das geheime Leben des László Graf Dracula
Autoren: Roderick Anscombe
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außerhalb der Stadt hält. Dort soll Gregor einsteigen. Aber das darf natürlich niemand wissen.«
    »Du wirst ihn ja wahrscheinlich noch einmal sehen. Kannst du ihm etwas von mir geben – ein Gebetbuch?«
    Das Frühstück war beendet. Die Damen erhoben sich; Lothar streckte sich und erklärte, er werde eine Zigarre rauchen gehen; ein Hausmädchen räumte den Tisch ab – nur meinen kalten Kaffee, den ich noch nicht ausgetrunken hatte, ließ sie mir zurück. Ich war allein mit melancholischen Gedanken an den Abschied von Gregor, als plötzlich die Tür aufflog und Stephanie ins Zimmer gestürzt kam.
    »Ich war sicher, daß ich meine Tasche auf dem Stuhl liegengelassen habe!«
    rief sie. »Aber sie ist nicht da.«
    Ich nahm an, daß sie nur einen Vorwand gesucht hatte, um mir zu sagen, daß sie es sich doch anders überlegt hatte. Und so trat ich vor, um ihr die Tür aufzu-halten.
    »Sie sind so edel«, flüsterte sie mir im Vorbeigehen zu. »Sich für einen Freund zu opfern!« Sie sah mir nur für einen kurzen Moment in die Augen, aber ich merkte, daß sie mit den Tränen kämpfte.
    Ich las gerade im Salon Zeitung, als Lothar von seinem Spaziergang zurückkehrte. Mit einem Stoßseufzer ließ er sich auf die andere Seite des Sofas plumpsen und nahm ein Magazin in die Hand. Eine Weile lasen wir beide Seite an Seite. Freilich entging mir nicht, wie rastlos er war. Schließlich drehte er sich zu mir hin und flüsterte mir ins Ohr: »Sie wissen doch, daß Sie es Gregor schuldig sind, es wieder zu tun, nicht wahr?«
    »Ich habe nicht die leiseste Ahnung, was Sie meinen.«
    »Sie können von Glück reden, daß ich nicht Kraus bin.«
    »Wieso denn?«
    »Ich hätte Ihnen geglaubt. Ich hätte Sie auf der Stelle in Ketten gelegt.«
    »In dem Moment dachte ich noch, es würde sich lohnen. Aber wie Sie sagen, es war eine sinnlose Geste. Trotzdem habe ich alles versucht, um Gregor aus diesem stinkenden Loch rauszuholen.«
    »Wollen Sie ihn jetzt im Gefängnis von Kolozsvar verrotten lassen?«
    »Natürlich nicht.«
    »Dann brauchen Sie nichts anderes zu tun, als noch eine Frau umzubringen.«
    »Seien Sie nicht albern.«
    »Das würde ihn augenblicklich entlasten.«
    »Nein!«
    »Sie werden es ohnehin tun. Früher oder später bringen Sie die nächste Frau um. Warum nicht jetzt, wo Sie etwas Gutes damit erreichen können? Tun Sie es jetzt, und nehmen Sie mich mit!«

    Es war einer jener Frühlingstage, an denen die Natur ihre ganze Pracht entfaltet und den Menschen deren Häßlichkeit vor Augen führt.
    Jakob fuhr mich zur Polizeiwache. Das Verdeck hatte er aufgeklappt, damit ich die Sonne genießen konnte. Heute war ich zur Abwechslung froh, den schweren Beutel neben ihm auf dem Kutschbock liegen zu sehen, denn die Wogen schlugen hoch in der Stadt. Man kann nie wissen, wozu abergläubische Hysteriker alles in der Lage sind. In der Hand hatte ich das Gebetbuch, das Elisabeth Gregor schenken wollte.
    Ursprünglich hatte ich beabsichtigt, mich auf der Polizeiwache von ihm zu verabschieden, ihm das Gebetbuch zu geben und ihm zu versichern, daß ich Himmel und Hölle in Bewegung setzen würde, um ihn rauszuholen. Aber als ich sah, was für eine Stimmung sich da in der Meute vor der Polizeiwache zusammenbraute, änderte ich meine Pläne. Heute mußte ich all meinen Einfluß geltend machen, um für Gregor eine sichere Fahrt zum Zug zu gewährleisten.
    Das war nicht mehr die zornige, doch wankelmütige Menge von gestern, das waren zu allem entschlossene Leute, und ich hielt sie für weitaus gefährlicher.
    Ich wurde sofort erkannt, und die Menge teilte sich, um meine Kutsche durchzulassen. Dennoch stieg ich aus und ging zu Fuß weiter. Ich wollte mich zwischen ihnen bewegen, von ihnen gesehen werden. Hier und da kannte ich ein Gesicht, größtenteils waren es aber Bauern von außerhalb der Stadt. Zwischen ihnen trieben sich die üblichen zerlumpten Schurken herum, die bei solchen Gelegenheiten immer anzutreffen sind. Am Rande der Menge standen mehrere Kutschen von sensationsgierigen Bürgerfamilien, die zu diesem Zeitpunkt sogar ihre Picknickkörbe mitgebracht hatten.
    Mir wurde schnell klar, daß Gregors Abtransport nach Kolozsvar kein Geheimnis mehr war. Umherstreifende Banden patrouillierten um das Gebäude herum und hielten Ausschau nach Beamten, die versuchten, den Gefangenen durch eine Seitentür herauszuschmuggeln. An einer Reihe übernervöser Polizisten vorbei, die das Gebäude bewachten, verschaffte ich mir Eintritt. In der
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