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Das geheime Leben des László Graf Dracula

Das geheime Leben des László Graf Dracula

Titel: Das geheime Leben des László Graf Dracula
Autoren: Roderick Anscombe
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mitgerissen, und ich werde gewiß nicht gegen den Strom schwimmen.

    ABEND

    Ich zog mich in die Bibliothek zurück, obwohl mir klar war, daß Elisabeth mich am Ende aufspüren würde. Sie will Gerechtigkeit und wird vor nichts haltmachen. Mein Leben, mein Ruf interessieren sie nicht mehr.
    Als wenig später jemand leise klopfte und gleich darauf die Tür aufging, rechnete ich eigentlich mit Elisabeth. Aber dann war es Stephanie, die hereingeschlüpft kam und sich mit einem hastigen Blick über die Schulter vergewisserte, daß niemand sie gesehen hatte.
    »Das ist aber ein unerwartetes Vergnügen!« rief ich. »Aber sollten Sie nicht besser die Tür offenlassen, solange Sie bei mir sind?«
    »Ich habe keine Angst davor, mit einem Mann allein zu sein«, erwiderte sie und nahm beiläufig mein Buch in die Hand, um zu sehen, was ich gelesen hatte.
    »Natürlich, aber eine Dame muß auf ihren Ruf achten.«
    »Warum? Kann man Ihnen etwa nicht trauen?«
    An diesem Punkt hätte ich streng werden, sie über die Grundregeln des Anstands belehren müssen, aber das tat ich nicht. Ich habe keine Entschuldigung dafür. Anstatt auf die innere Stimme zu hören, die mir Einhalt gebieten wollte, achtete ich nur noch auf meinen beschleunigten Puls, auf meinen flacheren Atem, auf ein Prickeln in der Magengrube und auf jenes wollüstige Gefühl der Ohnmacht, das mich immer dann überkommt, wenn ich drauf und dran bin, der Versuchung nachzugeben.

    »Ob man mir vertrauen kann, müssen Sie selbst entscheiden. Aber in Sachen Etikette habe ich gelernt, daß es den meisten auf den äußeren Schein ankommt und nicht darauf, was tatsächlich geschieht «
    »Ich glaube, ich kann Ihrer Diskretion vertrauen.«
    Natürlich merkte ich, daß sie Angst hatte und bei weitem nicht die versierte Verführerin war, wie sie mir weismachen wollte. Ich ging um den Tisch herum zu ihr.
    »Sie sind ein reizendes junges Fräulein«, sagte ich und sah ein Lächeln über ihr Gesicht huschen, das sie aber gleich wieder unterdrückte. Sie bemühte sich erfolglos, ihre Freude über das Kompliment zu verbergen, sah schüchtern zu mir auf und sofort wieder weg. Ich ergriff ihre Hand. »Aber ich wäre ein Schuft, wenn ich daraus Vorteile ziehen würde«, vollendete ich meine Gedanken.
    Nun musterte sie mich auf einmal mit einem leicht spöttischen Ausdruck in den Augen. Das war doch wirklich verwirrend. Von einem Moment auf den anderen wechselten sich bei ihr Naivität und Raffinesse ab. Plötzlich kam ich mir wie das unschuldige Opfer vor. In dieser Hinsicht glich sie der jungen Nicole, nur floh sie nicht vor mir. Ich brauchte ihr nicht nachzujagen.
    »Aber ich möchte, daß Sie einen Vorteil daraus ziehen«, erklärte sie. »Von ausnutzen könnte darum keineswegs die Rede sein.«
    Ein Mann kann mit einer unverheirateten Frau nur wenige Minuten allein in einem Zimmer sein. Anstandsdamen und Mamas bewachen ihre Schützlinge mit Argusaugen und machen sich sofort auf die Suche, wenn sie einmal nicht genau wissen, wo sie sind. Jeden Augenblick konnten Elisabeth, Nicole oder eines von den Hausmädchen hereinplatzen, aber Stephanie wirkte völlig unbeschwert. Sie hatte den Kopf abgewandt, und ich bemerkte, daß sich ihr Busen rasch hob und senkte. Sie wartete darauf, daß ich sie küßte. Als ich mich über sie beugte, hob sie das Gesicht. Ihre Lippen waren halb geöffnet, ihre Augen halb verschleiert.
    »Sollen wir uns morgen abend treffen?« murmelte ich.
    »Heute abend«, flüsterte sie lächelnd. Ihre Augen waren noch immer geschlossen.
    »Morgen ist sicherer.«
    Sie öffnete enttäuscht die Augen. Vorsicht war nicht romantisch. Ohne Gefahr konnte es für sie kein Abenteuer geben.
    »Morgen«, wiederholte ich. »Dann haben Sie Zeit, es sich anders zu überlegen.«
    »Ich will es mir aber nicht anders überlegen.«
    Sie hätte mich umarmt, aber ich bewegte mich schon auf die Tür zu.
    »Morgen abend«, sagte ich mit der Hand an der Klinke. »Um elf. In der Laube im Rosengarten.«
    »Es könnte sein, daß ich zu spät komme.«
    Sie lehnte sich gegen die Tür, so daß ich sie nicht mehr öffnen konnte, lotete ihre neugewonnene Macht über einen Mann aus.
    »Sie müssen das Haus über die Hintertreppe durch den Dienstbotentrakt und die Küchentür verlassen. Ich werde dafür sorgen, daß sie offen ist.«

    All diese Einzelheiten machten den Augenblick klein und häßlich. »Ich werde dort hinausgehen.« Sie deutete auf die Terrassentüren.
    »Nein«, sagte ich abrupter, als
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